Blutige Erde Thriller
zählt nicht.«
Page sank tiefer in die Sofakissen. »Na schön. Sprich weiter.«
»Ich rede hier nicht über eine Organisation, die einfach nur naiv ist oder sogar eine, die aus Eigennutz handelt. Ich rede über einen Verein, der im Wesentlichen dem organisierten Verbrechen dient.«
»Ist das ein Witz?«
»Nein.«
»Ich habe dich davor gewarnt, in der Sonne zu trinken, JB.«
»Es ist mein Ernst, Bobby. Ehrlich gesagt frage ich mich sogar, warum niemand schon viel früher so etwas aufgezogen hat. Denk mal drüber nach. Die meisten Menschen glauben, dass alle Hilfsorganisationen unerschütterlich auf dem Pfad der Tugend wandeln, stimmt’s? Sie wissen so wenig Genaueres, dass sie nicht einmal auf die Idee kommen, dass deren Grundabsichten nicht rein und gut sein könnten. Niemand sucht nach so etwas.«
»Was zum Teufel sollten sie denn stehlen, JB? Einen Sack Nahrungsmittel und einen dreißig Jahre alten Datsun ohne Reifen?«
»Machst du Witze? Was ist mit den Abermillionen Dollar, die von der amerikanischen Regierung, den europäischen Regierungen und privaten Spendern kommen? Und was ist mit dem Geld aus dem Bergbaugeschäft? Oder dem Geld, das Umboto Mtiti solchen Leuten bezahlen
würde, damit sie ihm die Weltöffentlichkeit vom Hals halten?«
»Und du hast Beweise dafür?«
»Im Augenblick sind es vor allem Indizien. Aber genau deshalb bin ich hier - um etwas Solides daraus zu basteln.«
»Ich dachte, du wolltest zur Hochzeit deines Bruders?«
»Das ist meine Cover Story.«
Page sah desinteressiert aus dem Fenster hinter seinem Schreibtisch.
»Diebstahl ist nicht kompliziert, Bobby. Es ist eine ganz einfache Geschichte über einen Haufen Krimineller, der sich auf Kosten armer, hilfloser Menschen bereichert.«
»Das ist Afrika, JB.«
»Was willst du damit sagen? Dass die Afrikaner keine Rolle spielen? Dass wir sie einfach in die Ecke schieben und so tun sollten, als würden sie nicht existieren?«
Page riss die Augen auf. »Was ist mit deinem Zynismus passiert, JB? Sag bloß, du wirst plötzlich zum Retter der Eingeborenen.«
»Du hast keine Ahnung, wie diese Menschen leben müssen. Die Vorstellung, dass ein Haufen Arschlöcher aus dem Westen einfach rübergeht und ihre Leiden ganz bewusst noch verschärft …« Flannary hielt einen Augenblick inne. »Sieh mal, die NGOs, über die ich früher geschrieben habe, sind ein Problem. Aber wenn man sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufführt, weil man es nicht besser weiß, so ist das eine Sache. Doch hier reden wir über etwas ganz anderes.«
»Ich weiß nicht«, sagte Page.
»Ich bitte dich, Bobby. Das alles hat auch ganz stark mit unserem Land zu tun. Schließlich geht es hier um eine amerikanische Hilfsorganisation, die amerikanische Spender und die amerikanische Regierung betrügt. Außerdem
glaube ich, dass sie einen ihrer amerikanischen Mitarbeiter ermordet haben. Ein junger Kerl, der rüberging, weil er helfen wollte.«
Page starrte eine volle Minute lang aus dem Fenster. »Sieht so aus, als könnte diese Tracy dich ertragen. Du kannst sie zwei Tage lang haben. Danach will ich von dir einen Beweis dafür, dass das Ganze auch irgendwohin führt.«
Flannary wollte dagegen protestieren, dass man ihm ein Kind an die Seite stellte, das kaum aus den Windeln war, doch dann entschied er sich, es lieber nicht darauf ankommen zu lassen. »Du wirst es nicht bereuen.«
»Doch, genau das werde ich«, sagte Page und deutete auf die Tür.
Flannary stand auf, um zu gehen, blieb jedoch mit der Hand auf dem Türknauf stehen. »Steht unsere Verabredung zum Abendessen noch?«
»Ich hole dich um halb acht in deinem Hotel ab.«
SIEBENUNDZWANZIG
Josh Hagarty drückte das Telefon an sein Ohr und verspürte jedes Mal einen schwachen Adrenalinschub, wenn ein knisterndes Klingelzeichen erklang, während er sich gleichzeitig auf den fast unvermeidlichen Zusammenbruch der Verbindung gefasst machte.
Zwei Klingelzeichen. Drei.
Er und Annika waren in einem entlegenen Bed & Breakfast untergekommen, das von einer Deutschen geführt wurde. Sie war so alt, dass sie unzerstörbar wirkte. Eine kettenrauchende Mumie mit einem irgendwie unheimlichen Akzent und einer Vorliebe für bösartige Hunde. Sie hatte ihnen gesagt, dass das Gästehaus einst bei Europäern auf Safari ein beliebtes Zwischenstoppziel gewesen war, doch als Mtiti an die Macht kam, war das Geschäft ins Stocken geraten. Trotz der schwierigen Zeiten funktionierte die Wasserversorgung, Strom gab es
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