Blutige Erde Thriller
ihre Blicke trafen. »Ich wette, nicht viele Frauen sagen Nein zu dir, oder?«
Er zuckte unbehaglich mit den Schultern, und sie zog sich wieder hinter den Duschvorhang zurück.
»Ich glaube, eine kalte Dusche ist genau das, was du brauchst.«
Josh zog die dünne Decke zurecht, die ihn vom Fußboden trennte, während Annika in sein Bett kroch und das Licht ausschaltete. Ihr wie ein Gentleman das Bett zu überlassen, war ihm angebracht vorgekommen, besonders nach seinem ziemlich plumpen Annäherungsversuch, doch inzwischen begann er, sein Angebot zu bedauern. Der Betonfußboden, der gegen sein Steißbein drückte, war schon schlimm genug, doch jetzt fing er auch noch an darüber nachzugrübeln, welche Krabbeltiere in Afrika wohl aus ihren Verstecken kamen, wenn es dunkel wurde.
Er konnte hören, wie sie sich auf der klumpigen Matratze hin und her warf. Offensichtlich hatte sie ebenso große Schwierigkeiten, eine bequeme Schlafposition zu finden, wie er.
»Fühlst du dich manchmal einsam, Annika?«
»Was?«
»Du weißt schon. Weil du da draußen ganz allein auf dich gestellt lebst.«
»Ich bin nicht nur auf mich gestellt. Ich habe viele Freunde im Dorf. Sie sind immer gut zu mir gewesen.«
»Aber ist das dasselbe? Hast du den Eindruck, dass sie dich wirklich akzeptiert haben?«
Im Licht der Lampen auf dem Hof, das durch die Vorhänge drang, sah Josh, wie sie an den Bettrand rückte und auf ihn herabblickte. »Du meinst, ob sie mich jemals als eine der ihren betrachten werden? Nein. Ich glaube nicht.«
Er fragte sich, wie oft sie schon miterlebt hatte, dass ein Amerikaner oder ein Europäer in Afrika aufgetaucht war, nur um ein paar Wochen später schon wieder zu verschwinden. Er wollte sie davon überzeugen, dass er anders war. Aber war er das wirklich?
»Willst du diesen Job für immer machen? Meinst du, dass du den Rest deines Lebens in Afrika verbringen wirst?«
Sie dachte einen Augenblick darüber nach. »›Für immer‹ ist eine lange Zeit. Ich -«
Es klopfte an der Tür, und sie verstummte.
»Josh?« Die Stimme war gedämpft, gehörte aber unzweifelhaft Katie.
Vielleicht täuschte ihn das Spiel der Schatten, doch er glaubte aus dem, was er von Annikas Gesichtsaudruck erkennen konnte, herauslesen zu können, dass sie nicht unbedingt glücklich war, dass mitten in der Nacht eine Frau an seine Tür hämmerte.
»Katie? Was ist los? Es ist schon nach Mitternacht.«
»Ja, aber könnte ich eine Minute mit dir sprechen?«
»Kann das nicht bis morgen warten?«
»Doch, ich denke schon.« Die Antwort klang unsicher. »Wir alle fragen uns nur, was mit deinen Leuten im Flüchtlingslager vor sich geht.«
»Hast du davon gewusst?«, fragte Annika.
Die übliche Düsternis des Flüchtlingslagers war blendend grellem Licht gewichen. Militärfahrzeuge blockierten fast alle Straßen, und die Soldaten richteten ihre
Scheinwerfer auf die Menge. Die Menschen wurden zu mehreren Lastwagen getrieben, die mit laufenden Motoren auf dem schlammigen Platz warteten.
Und im Mittelpunkt des Ganzen befand sich Gideon.
Er stand auf dem Dach eines Pick-ups und schrie in ein Megaphon, während die Leute von Joshs Projekt an ihm vorbeizogen und ihre Kinder sowie ihre wenigen Habseligkeiten an sich drückten.
Josh packte Annikas Arm und beugte sich zu ihr, so dass sie ihn trotz des Lärms hören konnte. »Stephen hat mir gesagt, dass sie zu einem Projekt gebracht werden, das bereits fertiggestellt wurde. Ich hatte angenommen, NewAfrica würde sie in den nächsten Monaten mit Bussen dorthin bringen - nicht, dass das Militär sie mitten in der Nacht auf die Ladeflächen von Lastwagen treibt.«
Ein junges Mädchen, das Josh wiedererkannte, begann zu weinen. Das Kind hatte sich offensichtlich verirrt, wurde von den Erwachsenen jedoch weitgehend ignoriert, die versuchten, für sich und ihre bescheidenen Besitztümer einen Platz auf einem der Lastwagen zu finden. Er schob sich durch die Menge, hob das Mädchen hoch und bahnte sich einen Weg zurück zu Annika, die trotz all der Erfahrungen, die sie in Afrika gemacht hatte, ziemlich verstört wirkte.
»Hat JB dir gesagt, was seiner Meinung nach bei NewAfrica vor sich geht?«
Sie nickte wie betäubt. »Ich habe ihn für verrückt gehalten. Ich war nur einverstanden, mit dir zu kommen, weil ich dich kennenlernen wollte …« Sie verstummte.
Trotz allem, was um sie herum vorging, konnte er nichts dagegen tun, dass ihn bei ihren Worten ein kurzes, heftiges Glücksgefühl
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