Blutige Erde Thriller
Haar strich ihm leicht über die Brust.
Er schüttelte den Kopf. »Es ist kompliziert. Meine Familie ist nicht wie deine, Annika. Wir sind …« Er brach ab. Wie konnte er ihr etwas erklären, das er selbst nicht richtig verstand?
»Du hast mir gesagt, wie stark und klug Laura ist. Und du wirst bald zu Hause sein. Sie kann auf sich selbst aufpassen, nicht wahr?«
»Ich weiß es nicht«, sagte er ehrlich. »Sie ist erst siebzehn. Und ich habe sie im Stich gelassen. Ich habe sie im Stich gelassen, als ich ins Gefängnis musste, und ich habe sie im Stich gelassen, als ich an die Uni ging. Und jetzt bin ich zum tausendsten Mal nicht da, wenn sie mich braucht.«
»Du bist für sie hierhergekommen, Josh. Du wolltest,
dass NewAfrica ihr das Studium ermöglicht und ihr eine Krankenversicherung besorgt. Sie haben zugesagt, dir so viel zu bezahlen, dass du für deine Schwester sorgen kannst.«
»Das hat ja wohl nicht hingehauen, oder?«
»Manchmal laufen die Dinge eben nicht so, wie man sie plant. Aber du hast alles getan, was du konntest. Das ist wichtig.«
Als er nicht reagierte, beugte sie sich vor und drückte ihre Lippen auf seinen Mund. Er wusste, dass er sie wegschieben sollte, doch stattdessen fuhr er mit einer Hand über ihren nackten Oberschenkel.
Nur einen kurzen Augenblick. Er könnte NewAfrica und Ernie Bruce vergessen. Und seine Vergangenheit und JB Flannary. Ein paar Minuten lang könnte er so tun, als gäbe es etwas Gutes in seinem Leben.
ACHTUNDZWANZIG
»Sieh dir das an«, sagte Annika und deutete auf den von tiefen Furchen durchzogenen Pfad, auf dem sie unterwegs waren.
Vor zehn Stunden hatten sie die Pension verlassen und seither die meiste Zeit damit verbracht, den Land Cruiser über immer entlegenere Straßen zu jagen, ohne zu wissen, wo sie sich befanden. Doch jetzt hatten sie endlich einen Hinweis darauf, dass sie auf dem richtigen Weg waren.
Der Nachmittagsregen hatte die Geschichte der Menschen, die sie zu finden versuchten, mit untrüglichen Zeichen in den Boden geschrieben. Zuerst waren es tiefe Rinnen gewesen, die von den Reifen der überladenen Lastwagen stammten, gefolgt von den Fußabdrücken der Menschen, die aus diesen Lastwagen gesprungen waren, und jetzt war da auch noch das unverwechselbare Muster einer Traktorspur, die quer über die Fußabdrücke verlief und sich bis in die Ferne weiterzog.
Josh kniete nieder, fuhr mit der Hand über die Abdrücke in der feuchten Erde und erlaubte sich einen seltenen Funken Optimismus. Sie würden auf ein gut gerüstetes Landwirtschaftsprojekt stoßen, das von jemandem geführt wurde, der in der Lage war, den Menschen zu helfen, die er so kläglich im Stich gelassen hatte.
»Ich glaube, wir können endlich beweisen, dass JB verrückt ist«, sagte er und sah zu Annika auf. »Zu viel Alkohol in der prallen Sonne.«
Die Unsicherheit hinter ihrem Lächeln war offensichtlich, doch er beschloss, sie zu ignorieren.
»Komm«, sagte sie, reichte ihm die Hand und half ihm hoch. »Es könnte sein, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben.«
Er war noch nie klaustrophobisch veranlagt gewesen, doch die Art, in der der Dschungel den schmalen Pfad umschloss und sich über ihnen ausbreitete, schuf eine Welt aus undurchdringlichen Schatten, fremdartigen Geräuschen und erstickender Schwüle, die ihm zuzusetzen begann.
Der Land Cruiser hatte es nach der Stelle, an der die Lastwagen nicht mehr weitergekommen waren, noch ein paar Meilen weit geschafft, doch sie mussten ihn schließlich zurücklassen, als der felsige Boden so uneben wurde, dass er nicht mehr befahrbar war.
»Du siehst besser aus«, bemerkte Annika.
Es war das erste Mal an diesem Tag, dass einer der beiden etwas auch nur entfernt Persönliches sagte. Ihre Fahrt hatte größtenteils aus langen Schweigephasen und kurzen Bemerkungen bezüglich der Landkarte bestanden, die Annika hatte ausdrucken lassen. Die Karte zeigte, wo sich Joshs Satellitentelefon und somit wahrscheinlich auch die alte Frau befanden, in deren Beutel Josh es versteckt hatte.
Keiner von ihnen schien zu wissen, wie sie mit dem umgehen sollten, was in der Nacht zuvor geschehen war. Es war erstaunlich, wie Sex die Dinge verändern konnte. Aber auch irgendwie wunderbar.
»Ich fühle mich auch besser«, antwortete Josh. »Weißt du, wenn man darüber nachdenkt, dann war unter all diesen Dingen, die bisher geschehen sind, keine einzige Sache, die sich nicht mit dem ganz normalen Wahnsinn Afrikas erklären ließe. Das
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