Blutige Erde Thriller
endlosen Kette von Fehlern, die er in seinem Leben aneinandergereiht hatte, noch einen weiteren hinzugefügt. Wenn er überhaupt eine Begabung hatte, so bestand sie darin, mit heiler Haut aus gefährlichen Situationen zu entkommen, die wertvollere Menschen als ihn das Leben kosteten.
»Aber JB, ich muss -«
Wieder brachte er sie mit einer Geste zum Schweigen. Dann konzentrierte er sich darauf, den Deckel von seinem Kaffeebecher zu lösen.
Obwohl er es nie laut zugegeben hätte, war er ursprünglich aus demselben Grund wie so viele andere vor ihm nach Afrika gegangen: Er wollte den edlen Afrikaner retten. Doch dann hatte er - ebenfalls wie so viele andere vor ihm - entdecken müssen, dass der edle Afrikaner nicht gerettet werden wollte. Die meisten Menschen, die diese spezielle Erleuchtung hatten, gingen nach Hause, erzählten Geschichten über ihre Abenteuer und polierten so lange an ihrer Erinnerung herum, bis sie durch nichts mehr getrübt wurde. Er jedoch nicht. Er war geblieben. Warum? Was hatte er zu erreichen gehofft? Es war eine Frage, die er nie hatte beantworten können und die immer
wieder auftauchte, wenn er Alkohol aus der westlichen Welt trank.
»Im Ernst«, sagte Tracy. »Wir müssen uns unterhalten.«
Er schaffte es schließlich, den Deckel von seinem Kaffee zu lösen und starrte hinab in die dunkle Flüssigkeit. »Keine Sahne. Die haben hundert verschiedene Arten von Kaffee auf der Karte, aber Sahne kriegt man keine. Tracy, würde es Ihnen etwas ausmachen -«
»Ich werde Ihnen keine verdammte Sahne besorgen!«, schrie sie.
Er schreckte überrascht zurück, die Räder seines Stuhls verhakten sich im Teppich, und er wäre fast hintenübergekippt. Das ganze Büro verstummte.
»So, Sie werden jetzt einfach nur dasitzen und mir zuhören, JB.«
Er öffnete den Mund, um zu protestieren, doch bevor er auch nur einen Ton herausbringen konnte, erhob sie drohend ihren Zeigefinger. »Klappe halten!«
Er gehorchte, und sie klatschte ein zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter großes Foto vor ihm auf den Schreibtisch. Es zeigte einen Mann in einem langen Wollmantel, der einen verstohlenen Blick über seine Schulter warf. Der Hintergrund war entfernt worden, wodurch jeglicher Kontext fehlte. Da war nur der Mann.
Flannary beugte sich ein wenig näher und musterte die leicht verschwommenen Gesichtszüge. Die leicht schräge Augenstellung deutete auf einen Osteuropäer hin. Seine Haut war bleich und der Gesichtsausdruck wütend, doch sein Ärger schien weniger einem konkreten Ereignis als dem Leben im Allgemeinen zu gelten.
»Das stammt aus der Kamera, die wir installiert haben«, sagte Tracy. »Er hat letzte Nacht das NewAfrica-Gebäude betreten.«
»Und?«
»Er ist kein Angestellter.«
»Vielleicht ist er ein Spender. Oder ein Bote. Oder er hatte sich verirrt und wollte sich nach dem Weg erkundigen.«
»Es war außerhalb der üblichen Geschäftszeiten, und er ist eine ganze Weile im Gebäude geblieben.«
»Ich glaube nicht, dass ich ihn kenne.«
»Ich auch nicht. Also habe ich sein Foto in eines dieser Internet-Foren gestellt, die sich mit Verbrechen beschäftigen.«
»Sie haben was getan?«
»Keine Sorge. Ich bin so vorgegangen, dass niemand die Sache zu uns zurückverfolgen kann. Und ich habe den Hintergrund gelöscht, damit man die Aufnahme nicht lokalisieren kann.«
»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee war, Tracy. Wir -«
»Und ob es eine gute Idee war«, protestierte sie. »Um ehrlich zu sein war es sogar eine fantastische Idee. Wenn zwei Köpfe besser sind als einer, dann sind tausend Köpfe wiederum besser als zwei, richtig?«
Das kam wohl darauf an, wie laut es in diesen Köpfen dröhnte. »Und was haben Ihnen diese tausend Köpfe verraten?«
Sie grinste und klatschte die Kopie eines Zeitungsartikels auf das Foto. Das dem Artikel beigefügte Bild war eine grobkörnige Kopie eines schlechten Originals, aber es handelte sich zweifellos um denselben Mann. Ein klein wenig jünger vielleicht, aber mit denselben schräg stehenden Augen und demselben verärgerten Gesichtsausdruck. Flannary studierte mit zusammengekniffenen Augen den Text, doch er wurde nicht schlau daraus.
»Das ist Tschechisch«, sagte Tracy. »Die Übersetzung steht auf der Rückseite.«
Der Text war in ihrer Handschrift, viele Wörter waren durchgestrichen worden und am Rand standen Notizen. Offensichtlich hatte sie die Arbeit selbst erledigt.
»Sein Name ist Aleksei Fedorov«, sagte sie und ersparte ihm so,
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