Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
allem, was ich gehört habe, ist er ein Tier. Ein Killer.« Er beobachtete ihr Gesicht, über das gerade das Licht- und Schattenspiel der Laternen kroch. »Genau wie ich. Wieso ist er dann ein guter Mensch? Und wieso bin ich ein schlechter?«
Ihr Gesicht verschwand wieder im Dunkel, er sah nur ihre Umrisse, in denen die Augen funkelten. »Das fragen Sie mich allen Ernstes, wo Sie gerade mich und meine Tochter als Geiseln genommen haben?«
Weiter vorne kündigten sich die Lichter eines weiteren Dorfes an und dahinter die Stadt Lurgan mit ihren verworrenen Straßen, mit Ampeln und Polizisten. Er bog nach links in eine schmale Landstraße ab, um sie zu umfahren. Draußen war es dunkel geworden.
»Die ganze Zeit freue ich mich schon, diesen berühmten Gerry Fegan mal kennenzulernen«, sagte der Nomade. Er grinste in den Rückspiegel, obwohl er in der Dunkelheit weder die Frau noch das Kind sehen konnte. »Und jetzt kommt es vielleicht gar nicht mehr dazu. Wäre wirklich zu schade. Es würde mir Spaß machen, herauszufinden, was er wirklich drauf hat. Dass es nicht einfach werden würde, habe ich schon gehört. Er wäre ein ebenbürtiger Gegner.«
Er wartete auf eine Antwort, doch es kam keine, abgesehen von Maries rasselndem Atem.
»Das würde mir Spaß machen«, fuhr er fort. »Kann ja sein, dass er ein verrückter Mistkerl ist. Aber das bin ich ja auch. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der mir überlegen war, und eine Herausforderung täte mir mal gut, verstehen Sie?«
Der Nomade schaute in den Rückspiegel, konnte aber nichts erkennen. Er hörte nicht einmal mehr den schweren Atem der Frau.
»Eines kann ich Ihnen allerdings versichern. Ihr Freund Gerry wird für seine Sünden teuer bezahlen. Egal, ob ich das übernehme oder die Cops, für ihn geht es jedenfalls übel aus. Er wird qualvoll sterben. Um leicht abzutreten, dafür hat er einfach zu viele Leute stinksauer gemacht. Die einzige Frage ist, wie schli…«
Ein jäher Schmerz jagte durch seinen Kopf, als kleine Hände seine Haare nach hinten rissen. In seinem linken Ohr gellte schrilles Geschrei, die Hände zogen immer fester. Mit der linken Hand griff er nach hinten, aber wegen seines Verbandes bekam er nichts zu fassen außer ein paar Haarsträhnen. Das Mädchen prügelte schreiend auf ihn ein. Der Wagen schlug gegen den Bordstein und machte einen Satz, das Lenkrad in seiner gesunden Hand schlug herum. Die Frau schrie auf, das Mädchen wurde zur Seite geschleudert, aber es ließ nicht los. Jetzt schrie auch der Nomade, weil seine Kopfhaut zu reißen begann. Er nahm die rechte Hand vom Lenkrad und riss sie nach hinten, in dem verzweifelten Bemühen, das schreiende Kind von sich zu schlagen, doch im nächsten Moment straffte sich schon der Sicherheitsgurt um seine Brust, und sein Kopf wippte einmal nach vorn und wieder zurück. Dann war nichts mehr außer Dunkelheit und Stille, abgesehen von einem beharrlichen Klingelton. Von irgendwo weit hinter ihm kam ein kalter Lufthauch.
75
Lennon wartete allein in der Küche. Im Flur lungerte untätig ein Constable aus Carrickfergus herum, während draußen ein Sergeant Aussagen von Bewohnern der darunterliegenden Stockwerke aufnahm. Ansonsten befand sich jeder Verfügbare am Tatort des Mordes an DCI Gordon. Das Beste, was die Wache in Carrickfergus hatte beisteuern können, war ihr einziger Streifenwagen, der sich gerade bei einer Verkehrskontrolle auf der Jagd nach betrunkenen Autofahrern befunden hatte und von dort zu dem Wohnkomplex geschickt worden war. Lennon war schon vor den Polizisten angekommen und sofort nach oben gefahren. Er hatte die Tür aufgebrochen gefunden und die Wohnung leer.
Sorge und Angst kämpften in ihm wie zwei Wildkatzen. Er konnte sich nicht lange genug auf eine der beiden Empfindungen konzentrierten, um einen Schlachtplan zu entwerfen. Noch einmal rief er im Präsidium an und fragte nach Chief Inspector Uprichard. Als der Wachhabende endlich an den Apparat kam, ließ er Lennon zum wiederholten Male wissen, Uprichard sei zu beschäftigt, er solle einfach an Ort und Stelle warten und den Tatort sichern, bis man im Distrikt D ein Team zusammenstellen könne.
»Ich kann doch nicht einfach nur hier herumsitzen und warten«, regte Lennon sich auf. »Er hat meine Tochter in seiner Gewalt. Genau der Mann, den ihr noch vor ein paar Stunden eingesperrt hattet.«
»Das verstehe ich ja«, antwortete der Wachhabende, »aber hier ist ein Polizist ermordet worden. Jeder, den man
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