Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
verdammt!«, verlangte der Nomade. »Es geht hier schließlich um mein Auge. Das muss ein Arzt machen. Da lasse ich doch nicht irgendeine Göre ran, die gerade erst ihre Ausbildung fertig hat.«
Der Arzt gab sein Bestes, um respekteinflößend zu wirken. »Bitte mäßigen Sie Ihren Ton, Mr. McDonnel. Schwester Barnes ist eine fachkundige und erfahrene Notfallschwester. Sie hat solche Sachen schon tausendmal gemacht. Und ich bin mir nicht sicher, ob es ihr gefallen würde, als ›Göre‹ bezeichnet zu werden.«
Der Nomade setzte die Füße auf den Boden. »Sie machen das«, sagte er.
»Also wirklich, es …«
Der Nomade trat so nah an den Arzt heran, dass er ihm ins Ohr hätte beißen können, und flüsterte. »Sie – machen – das – verdammt – noch – mal.«
Die Stimme des Arztes zitterte. »Mr. McDonnel, wir dulden in dieser Einrichtung kein beleidigendes …«
Der Nomade packte mit der linken Hand den dürren Hals des Arztes und quetschte ihm mit Daumen und Fingern der Rechten die Luftröhre ab.
»Machen Sie es?«
Der Arzt taumelte zurück und riss den Nomaden mit. Ein Drehstuhl kippte um und fiel zu Boden. Der Arzt wischte einen Stifthalter weg, dessen Inhalt sich über den Schreibtisch verstreute. Er ließ ein abgewürgtes »Ack« hören, sein Gesicht errötete.
»Machen Sie es?«
Hinter ihm ertönte ein Schrei. Ohne den Hals des Arztes loszulassen, drehte sich der Nomade zu der Stimme um. Die Schwester in der Tür schrie erneut auf.
»Scheiße«, sagte der Nomade.
Er trat dem Arzt die Beine weg und rannte los.
12
»Du musst mir einen Gefallen tun«, sagte Lennon ins Telefon, während er an der Kreuzung von Lisburn Road und Sandy Row darauf wartete, dass die Ampel umsprang.
»Was für einen Gefallen?«, fragte Dan Hewitt.
»Ich möchte ein paar Akten einsehen«, sagte Lennon. Als die Ampel grün wurde, klemmte er sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter und löste die Handbremse. »Alles, was ihr über die McKenna-Fehde habt.«
»Keine Chance«, sagte Hewitt. »Du hast keinerlei Veranlassung, diese Akten einzusehen. Es sei denn, du würdest aktuelle Ermittlungen anstellen, aber die Ermittlungen über diese Sauerei sind schon vor Monaten abgeschlossen worden. Weshalb willst du die haben?«
»Wegen einer Sache, die Rankin erwähnt hat.«
»Was hat der denn mit dieser Fehde zu tun?«
»Nichts. Er hat nur etwas erwähnt. Ein Gerücht, das er gehört hatte. Ich will es überprüfen. Nun komm schon. Ich tue dir schließlich einen großen Gefallen damit, dass ich mich mit schwerer Körperverletzung zufriedengebe.«
»Und als Gegenleistung kommst du wieder zur Mordkommission«, erwiderte Hewitt. »Ich glaube, damit sind wir quitt.«
Lennon gab sich alle Mühe, sich auf den Verkehr zu konzentrieren,während er sich auf Nebenstraßen zurück zum Donegal Pass schlängelte. »Ich muss die Akten sehen, Dan.«
»Nein, müssen tust du nicht«, widersprach Hewitt. »Du willst sie sehen. Das ist etwas ganz anderes. Aber selbst, wenn ich wollte, könnte ich sie dir nicht geben. Ich muss eine aktuelle Ermittlung vorweisen, bevor ich die Akten beantragen kann.«
»Mist«, sagte Lennon. »Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben.«
»Wenn du Rankins Akte haben willst, könnte ich vielleicht etwas für dich tun, im Rahmen des Möglichen.«
»Und wie wäre es, wenn man eine Verbindung zwischen Rankin und McKenna entdeckt? Wenn es da irgendeine Gemeinsamkeit gibt, kannst du mir die Akten dann besorgen? Und auch die von Crozier. Rankin hat mir erzählt, dass Crozier sich nach McKennas Tod darangemacht hat, dessen Gebiet zu übernehmen. Dann ist da doch eine Verbindung zu meinem Fall.«
Einige endlos erscheinende Sekunden lang hörte Lennon nichts als Schweigen, bis Hewitt schließlich seufzte und sagte: »Na schön, ich werde sehen, was ich tun kann. Eine Menge davon wird allerdings zensiert sein. Du wirst mehr geschwärzte Zeilen zu sehen bekommen als sonst was.«
»In Ordnung«, sagte Lennon. »Alles, was du mir besorgen kannst.«
»Gib mir eine Stunde«, sagte Hewitt.
Die dünne Akte landete neunzig Minuten später auf Lennons Schreibtisch. Er blätterte die fotokopierten Seiten durch, es waren weniger als zwanzig. Genau wie Hewitt angekündigt hatte, war das meiste mit einem Filzstift mit fetten Strichen geschwärzt worden. Aber nicht alle waren auch im Original zensiert worden. Ein paar der Seiten rochen nach Lösungsmittel, und die schwarzenLinien fühlten sich frisch und noch etwas
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