Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
als einmal zu spüren bekommen, als sie beide noch ein Paar gewesen waren. Sie fühlte sich an wie die Knochen unter ihrer Haut, nur kälter und spitzer. Sie wusste genau, dass ihre einzige Möglichkeit, ihn für seine Tat zu bestrafen, die war, dass sie ihm seine Tochter vorenthielt. Und selbst wenn er wegen eines Besuchsrechts vor Gericht gezogen und Ellen diesem ganzen Zirkus ausgesetzt hätte, was für einen Vater gab er denn schon ab? Sicher keinen besseren, als sein eigener es gewesen war.
Lennon schüttelte den Gedanken ab und begann wieder zu lesen.
… ganze Bude war voll davon. Jeder weiß, dass da mehr hintersteckte. Aber es geriet verdammt schnell in Vergessenheit. JM: Lieber Himmel, ihr Jungs tratscht ja schlimmer als ein Haufen alter Weiber beim Bingo. Nichts davon hat irgendwas mit Ihnen zu tun. AR: Wie bitte? Nichts mit mir zu tun? Ich verliere ein ganzes Vermögen, weil Michael McKenna sich dämlicherweise …
Diesmal fehlte eine halbe Seite. Lennon las unten weiter.
…ädchen. Und seitdem ist sie nicht mehr gesehen worden. Lennon hörte auf zu lesen. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Er fuhr mit dem Finger über die geschwärzten Zeilen und suchte nach irgendeinem Anzeichen der Buchstaben, die sich darunter verbargen. Dieses letzte Wort – war es »Mädchen« gewesen? Er versuchte, einen Rest von Flüssigkeit in seinem Mund zu finden, um sich die Lippen zu befeuchten, aber seine Zunge rieb nur über den trockenen Gaumen.
Lennon schob die Papiere beiseite und sah auf die Uhr. Fast Mittag. Er nahm den Telefonhörer und wählte die Zentrale des C3. Er verlangte Hewitt.
»Lust auf Mittagessen?«, fragte er, als Hewitt abnahm.
»Mit dir?«
»Ja«, sagte Lennon. »Mit mir.«
»Jack, ich habe dir doch die Akten beschafft. Das war schon mehr, als ich hätte tun dürfen.«
»Jetzt komm schon. Um der alten Zeiten willen.«
»Herrgott«, fluchte Hewitt. »Was willst du?«
»Nur ein paar Fragen stellen. Und ein Sandwich mit Speck.«
Hewitt seufzte. »Na gut, in zehn Minuten in der Kantine.«
Hewitt stocherte in einem Salat herum, während Lennon auf kaltem Speck kaute. Der Aktenordner lag zwischen ihnen auf dem Tisch. Auf der anderen Seite der Kantine saß ein ganzer Trupp von Jungs der Polizeitaktik grölend und wiehernd vor Pommes und Bohnen. Die hatten wahrscheinlich für den Nachmittag eine Razzia geplant, in einem Haus mit Panzertüren und beheizten Räumen für die Cannabispflanzen oder in einem Eckladen, in dessen Hinterzimmer stapelweise geschmuggelte Zigaretten gehortet wurden.
»Das mit der Zensur war jedenfalls kein Witz«, sagte Lennon. »Das meiste war geschwärzt.
Hewitt nippte an seinem Mineralwasser. »Was hast du dennerwartet? Du kannst von Glück sagen, dass du überhaupt was zu Gesicht bekommen hast.«
Lennon gab einen Löffel Zucker in seinen Tee. »Ich weiß. Und da ist auch nur noch eine Sache, die mich neugierig macht.«
»Frag erst gar nicht«, wehrte Hewitt ab.
»Nur eine Sache.« Lennon nahm einen Schluck seines lauwarmen Tees. »Es geht um die Geschichte mit Michael McKenna, diese Fehde. Dass McGinty in der Nähe von Middletown in einen Hinterhalt gelockt wurde.«
»Was soll damit sein? Nach Abschluss der Ermittlungen wurde doch alles publik gemacht. Die McGinty-Fraktion hat sich untereinander bekämpft, und dann haben sich noch die Dissidenten eingemischt. Ein Riesenschlamassel, aber jetzt ist die Sache vorbei.«
Lennon kämpfte mit seinem Speck. Hewitt wartete geduldig. Endlich schluckte Lennon und fragte: »Warum ist dann alles geschwärzt? Warum diese Heimlichtuerei, wenn doch sowieso alles öffentlich bekannt ist?«
Hewitt legte seine Gabel hin und tupfte sich mit einer Serviette die Lippen ab, obwohl sein Mund sauber war. »Hör mal, Jack, ich habe dich aus Gefälligkeit in diese Unterlagen reinsehen lassen. Wenn jemand wüsste, dass ich sie dir zugänglich gemacht habe, wäre ich in Schwierigkeiten. Übertreib es also nicht.«
»Hast du das von Kevin Mallory gehört? Was mit dem vorgestern Abend passiert ist?«, fragte Lennon. »Der gehörte zu Bull O’Kanes Bande. Bull O’Kane gehört die Farm, in der McGinty umgebracht wurde.«
»Diese Mallory-Sache war ein schiefgelaufener Raubüberfall«, erklärte Hewitt. »Außerdem geht uns das nichts an. Das war auf der anderen Seite der Grenze. Darum sollen sich die Guards kümmern. Du stocherst die ganze Zeit herum. Worauf bist du aus?«
Lennon riskierte es. »Was steht in den Akten über Marie
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