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Blutige Fehde: Thriller (German Edition)

Blutige Fehde: Thriller (German Edition)

Titel: Blutige Fehde: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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einzuspannen, während die Mutter tagelang nur in die Luft starrte.
    Ein quälendes Weihnachtsfest kam, bei dem sie die Mahlzeiten schweigend einnahmen. Im März stand Lennon schließlich die letzte Hürde bevor: die Sicherheitsüberprüfung. Er war sich sicher, dass sie ihn wegen seines Bruders nicht nehmen würden, und sehnte heimlich schon das Ablehnungsschreiben herbei. Hin und her gerissen zwischen Hoffnung und Angst, redete er sich manchmal ein, dass vielleicht, nur vielleicht sein Bruder ja gar nicht lange oder ernsthaft genug dabei gewesen war, als dass sein Name mit irgendwelchen Verbrechen in Verbindung gebracht werden konnte. Oder vielleicht würde Lennon ja, weil er in seiner Bewerbung seine Belfaster Adresse angegeben hatte, gar nicht mit seiner Familie in Verbindung gebracht werden. Als dann der Brief ankam, in dem man ihn anwies, sich zur Ausbildung in der Polizeischule von Garnerville zu melden, starrte er eine halbe Ewigkeit die Zeilen an und wusste, dass er tatsächlich den Dienst antreten wollte. Er wusste, dass sein altes Leben vorbei war.
    Noch ein letztes Mal fuhr er für das Wochenende nach Hause, redete in der Stammkneipe bei einem Bier mit ein paar alten Freunden, überbrachte Nachrichten von seiner Mutter und lief kreuz und quer das ganze Dorf ab. Als sie dann nach der Sonntagsmesse bei dem Braten, den Bronagh zubereitet hatte, zusammensaßen, erzählte er es seinen Schwestern und seiner Mutter. Claire und Noreen sagten gar nichts, sondern räumten nur die Teller vom Tisch, stellten sie ins Waschbecken und verließen das Zimmer, während Bronagh wie versteinert dasaß.
    Seine Mutter starrte auf die Tischdecke und zitterte am ganzen Leib. »Man wird dich umbringen«, sagte sie. »Genau wie Liam. Man wird dich umbringen. Ich kann doch nicht zweiSöhne verlieren. Ich kann es einfach nicht. Geh da nicht hin! Du musst doch gar nicht. Du kannst es dir noch anders überlegen. Bleib an der Universität, mach deinen Magister fertig und such dir eine gute Stellung. Tu das nicht. Tu es nicht!«
    »Es ist aber das, was ich machen möchte«, antwortete er. »Ich muss es tun. Für Liam.«
    Bronagh schüttelte den Kopf und verzog angeekelt den Mund. »Wag es nicht, ihn dazu zu missbrauchen, um das hier zu rechtfertigen. Du weißt, was du unserer Familie damit antust. Ma kann sich nirgends mehr blicken lassen. Wir können von Glück sagen, wenn sie uns nicht das Haus abbrennen.«
    »Aber so wird es sich nie ändern«, wehrte Lennon sich. »Wie können wir uns beklagen, dass die RCU eine rein protestantische Polizei ist, wenn wir uns weigern, ihr beizutreten? Wie können wir sie dafür verdammen, dass sie unsere Bevölkerungsgruppe nicht beschützt, wenn wir sie nicht lassen? Ich tue das für …«
    »Verschwinde einfach«, unterbrach Bronagh ihn. Sie legte der Mutter den Arm um die Schulter. »Sieh nur, was du ihr antust. Pack deine Sachen und verschwinde.«
    An diesem Abend verließ Lennon das Haus, in dem er aufgewachsen war. Mit einem ramponierten Koffer und einer Sporttasche, in denen er seine wenigen Habseligkeiten verstaut hatte, fuhr er zurück nach Belfast. Von einem alten Freund hörte er dann, dass Phelim Quinn seine Mutter einige Wochen später noch einmal aufgesucht hatte. Diesmal ließ er sie wissen, dass man ihren Sohn, sollte er jemals nach Middletown zurückkehren, erschießen werde. Zum zweiten Mal in einem Jahr sagte sie dem Stadtrat daraufhin, er solle aus ihrem Haus verschwinden.

    Lennon beugte sich hinab und küsste die Stirn seiner Mutter. Sie streckte die Hand aus und streichelte seinen Hals. Dann runzelte sie die Augenbrauen.
    »Wo kommen denn die ganzen Falten her?«, fragte sie. »Jedes Mal, wenn ich dich sehe, siehst du deinem Vater ähnlicher.«
    Lennon bezweifelte, dass sie sich überhaupt noch daran erinnerte, wann sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. »Das sagst du mir jedes Mal.«
    »Er ist sicher bald wieder da«, sagte sie.
    »Wer? Unser Da?«
    »Natürlich, wer denn sonst? Der Papst? Bald ist er wieder da, und dann nimmt er uns alle mit nach Amerika.«
    Lennon konnte sich kaum noch an das Gesicht seines Vaters erinnern. Fast dreißig Jahre waren vergangen, seit er es zum letzten Mal gesehen hatte. Seitdem hatte niemand je wieder etwas von ihm gehört, aber es brachte nichts, wenn er seine Mutter daran erinnerte. Sollte sie sich doch ruhig an ihre Illusionen klammern, wenn es sie ein bisschen glücklicher machte.
    »Dann bringt er uns alle in ein schickes Haus in New

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