Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
Schule gegangen. Nächstes Jahr wollten wir zusammen nach Ibiza. Er hatte gerade einen Job gefunden. Er wollte sogar alles für mich bezahlen. Das ist einfach nicht gerecht. Es war doch nur ein bisschen Zoff mit den Hunnen, mehr nicht.«
Lennon beugte sich vor und sprach Devine mit sanfter Stimme an: »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
»Wir haben bloß Steine und Flaschen geworfen, das übliche eben. Die Hunnen haben zurückgeschmissen.«
»Mit ›Hunnen‹ meinen Sie wahrscheinlich die protestantischen Jugendlichen vom Donegal Pass.«
»Ja«, sagte Devine. »Niemand ist verletzt worden oder so. Es wird nie einer getroffen. Dann kamen die Cops, und wir sind weggerannt. Ich und Brendan, wir haben uns von den anderen getrennt, und der Streifenwagen kam hinter uns her. Da sind wir in diese Gasse gelaufen. Wir konnten hören, dass die Cops hinter uns her waren. Also haben wir an allen Toren gerüttelt und geguckt, ob eins davon nicht abgeschlossen war. Als wir schon fast am Ende waren, fanden wir eins, das offen war. Brendan ist vor mir rein. Es war dunkel, ich konnte überhaupt nichts sehen. Ich hörte ihn hinfallen, und es hat einen Bums gegeben, als ob er sich den Kopf angeschlagen hätte. Dann bin ich ausgerutscht, weil es da total glitschig war. Ich bin auf den Rücken gekracht. Im nächsten Moment lag irgendwas Schweres auf mir drauf, und ich hab keine Luft mehr gekriegt.«
Devine erschauerte. Erneut schossen die Tränen. »O Gott«, hauchte er kaum hörbar.
Speers saß schweigend da und starrte geistesabwesend vor sich hin.
»Nehmen Sie sich ruhig Zeit«, sagte Lennon.
Devine schniefte und kämpfte gegen die Tränen an. »DasNächste, was ich weiß, ist, dass ich dalag und mir bald der Kopf geplatzt ist, außerdem war es höllisch kalt. Von irgendwoher habe ich Geschrei gehört, wie von einer Irren. Dann war es vorbei. Ganz plötzlich. Ich brauchte eine Weile, um mich hochzurappeln, so benommen war ich. Ich hab den ganzen Hof nach Brendan abgesucht, aber es war stockduster. Endlich fand ich seine Schuhe und habe mich am Bein entlang nach oben getastet. Brendan hat gezittert, das weiß ich noch.«
»Und dann?«, fragte Lennon.
»Dann habe ich hochgeguckt«, sagte Devine mit abwesendem Blick. »Da war jemand, an der Hintertür. Ich weiß nicht, ob er mich sehen konnte, aber ich konnte ihn sehen. Nur die Umrisse. Das Gesicht konnte ich nicht erkennen.«
Lennon wartete. »Und dann?«
»Dann bin ich weggerannt.«
Devines Blick kehrte wieder in die Gegenwart zurück. Er sah Lennon an. Bevor er noch etwas sagen konnte, flog krachend die Tür des Verhörzimmers auf, und der hochrote Kopf von Detective Chief Inspector Gordon erschien.
»Brechen Sie dieses Verhör ab«, brüllte er. »Sofort.«
Gordon schaltete den Kassettenrekorder aus und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Also?«
Lennon saß, den Kopf in die Hände gestützt, da und wusste, dass es sinnlos war. Er sprach es trotzdem aus. »Also: Ich glaube, dass weder Brendan Houlihan noch Colm Devine Declan Quigley getötet haben. Ich glaube, dass noch jemand am Tatort war. Und ich glaube, der Betreffende war dort, um Quigley zu töten. Ich glaube, dass Houlihan und Devine einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sind. Ich glaube, der Dritte hat die beiden Jugendlichen ausgeschaltet und dann den Mord verübt. Ich glaube, er hat Brendan Houlihan getötet und ihm das Messer untergeschoben.Ich glaube, er hätte auch Colm Devine getötet, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte.«
»Sie wollen mir also erzählen, dass Sie dem Jungen seine Geschichte abkaufen?«, fragte Gordon.
»Ja, das tue ich«, antwortete Lennon. »Und außerdem glaube ich, dass derselbe Mann, der Declan Quigley und Brendan Houlihan getötet hat, gestern Abend auch Patsy Toner ermordet hat.«
Endlose Sekunden hörte Lennon nichts als Gordons Atem. Schließlich hob er den Kopf und sah, dass Gordon ihn scharf ansah. Dann drückte Gordon auf die Auswurftaste, entnahm das Band und warf es in den Papierkorb.
»Sie sehen müde aus, Detective Inspector Lennon.«
»Ich bin auch müde«, sagte Lennon. »Wissen Sie, was es mich gekostet hat, Polizist zu werden? Seit über fünfzehn Jahren spricht meine eigene Familie nicht mehr mit mir. Keine einzige von meinen Schwestern. Meine Mutter bekomme ich nur zu sehen, weil sie zu verwirrt ist, um sich noch daran erinnern zu können, warum sie sich überhaupt von mir losgesagt hat. Ich habe meine Familie verloren, weil ich
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