Blutige Küsse und schwarze Rosen
nicht beißen!“, protestierte Elias energisch, als Nico sich direkt hinter ihn kniete. Pure Scham darüber, dass ihm diese Art von Nähe gefiel, überkam ihn.
„Es wird mir nichts anhaben. Dir dagegen wird es sehr schlecht gehen, wenn du kein Blut bekommst. Außerdem ist es keine Seltenheit, dass der Schwächere in schweren Zeiten wie Hungersnöten vom Stärkeren trinkt.“
Nicos freigelegtes Handgelenk tauchte vor Elias’ Gesicht auf. Es war bloße Millimeter von seinen Lippen entfernt, und er musste sich zusammenreißen, um die wunderschöne Haut nicht mit unzähligen Küssen zu verwöhnen.
„Beiß mich“, ertönte es dicht an seinem Ohr und ein angenehmer Schauer jagte Elias’ gesamten Körper entlang. Ein Körper, den er seit Stunden intensiver spürte denn je.
Kapitel 6
G EMEINSAM
Er betrachtete die Ader an Nicos Handgelenk. Sie schimmerte leicht bläulich unter seiner feinen Haut hindurch und lockte Elias. Nur ein Schluck puren Lebens und …
Ein seltsames Ziehen in seinem Zahnfleisch riss ihn aus den Gedanken. Die Eckzähne hatten zu wachsen begonnen und schoben sich Millimeter um Millimeter unter seiner Oberlippe hervor. Es war, als wucherten ihm im Mund Plastikvampirzähne, die es an Halloween überall zu kaufen gab.
„Sie wachsen anfangs unkontrolliert, sobald man Erregung verspürt“, sprach Nico leise gegen seinen Nacken, während Elias die scharfen, befremdlichen Zähne vorsichtig mit den Fingerspitzen betastete. „Bei dir ist es jetzt die Aussicht auf Nahrung. Keine Panik, später wirst du schon lernen, ihr Wachstum zu beherrschen.“
Zweierlei Dinge beunruhigten Elias bei diesen Worten gleichermaßen: Zunächst einmal war da die Tatsache, dass seine aufkommende Panik Nico offensichtlich nicht verborgen blieb. Noch schlimmer war allerdings die Tatsache, dass die Erregung, die Elias verspürte, keinesfalls nur auf die Aussicht auf Nahrung zurückzuführen war. Vielmehr trug Nicos Nähe zu diesem herrlichen Gefühl bei. So freundschaftlich diese auch gedacht sein mochte, sie kitzelte jeden Nerv in Elias.
„Beiß einfach rein. Dein Instinkt wird den Rest für dich tun.“
Nico führte sein Handgelenk direkt an Elias’ Lippen heran. Seine Haut duftete so vertraut. Würzig. Betörend.
Etwas unbeholfen legte Elias die Finger um den Unterarm seines Freundes. Mit Nicos warmer Brust an seinem Rücken und dessen gespreizten Knien rechts und links von ihm, löste selbst diese unscheinbare Berührung ein kleines Feuerwerk in seiner Magengrube aus. Eine Empfindung, der sich Elias nicht hingeben wollte. Nico war schließlich sein Freund.
Unsicher öffnete er seinen Mund, versuchte, sich nur auf seinen Hunger und die beinahe surrend pulsierende Ader zu konzentrieren. Dann biss er zu.
Der Leib hinter ihm zuckte nicht einmal zusammen, als die Zähne wie zwei Messer in weiche Butter glitten. Sie bohrten sich in Nicos Ader und sofort strömte warmes Blut dickflüssig über Elias’ Zunge. Er schluckte automatisch und merkte erst anschließend, wie unbeschreiblich reich es schmeckte. Reich an allem, das man zum Leben brauchte. Das Blut erfüllte ihn mit Energie. Jeder Schluck stärkte ihn und ließ ihn noch mehr wollen. Er sog das rote Elixier in sich auf, wurde immer gieriger, hungriger …
Der markerschütternde Ruf einer Eule brachte Elias zurück zur Besinnung. Erschrocken ließ er von dem Arm ab und starrte auf die Bisswunde, deren Blutung sekundenschnell stoppte.
„Du kannst unmöglich schon satt sein.“
Eine unangenehme Kälte breitete sich an Elias’ Rücken aus, als Nico ihm die Nähe entzog und an seiner Seite Platz nahm.
„Es reicht“, versicherte Elias. Er war erleichtert darüber, dass Nicos Haut einen Atemzug später bereits verheilt zu sein schien. Es war furchtbar gewesen, die klaffende Verletzung zu sehen, die er seinem Freund zugefügt hatte – und beschämend, dass der Blutdurst seinen Verstand so vernebelt hatte.
„Es wird mir nicht im Geringsten schaden“, meinte Nico und erhob sich vom Boden. „Nach meiner nächsten Mahlzeit habe ich das wieder drin.“ Er blickte auf ihn herab und seufzte resigniert, als Elias den Kopf schüttelte. „Komm, ich bringe dich nach Hause. Du brauchst Ruhe, es war ein nervenaufreibender Tag.“
Er half Elias auf die Beine, als ein Rascheln irgendwo zwischen den Gräbern sie stocken ließ. Über das Gelände, und direkt auf sie zu, kam Melchior. Seine Schritte schleiften getrocknete Blätter über der Erde mit. Auf einem
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