Blutige Küsse und schwarze Rosen
Vorstellung breitete sich in seinem Kopf aus und erwärmte alles in seinem Körper. Hatte Nico ihn deswegen küssen wollen? Weil er nun mehr empfand?
„Nein“, meinte Nico plötzlich, als hätte Elias etwas gesagt. „Das verstehst du falsch. Ich meine damit keine romantische Verbindung.“
Als hingen an seinen Füßen mit einem Mal schwere Betonklötze, blieb Elias wie angewurzelt stehen. Wenige Meter vor ihm erstarrte auch Nico in seinem Gang. Der Elias zugewandte Rücken war angespannt, verriet seine Bestürzung. Eine Hand vor den Mund geschlagen, drehte sich Nico ihm langsam zu.
„Was zum …?“, brachte Elias leise heraus. Einen vollwertigen Satz konnte er in dem Moment nicht formulieren.
„Ich wollte es dir anders beibringen“, flüsterte Nico und nahm die Hand aus dem Gesicht. „Ich hatte dir nicht einfach auf etwas antworten wollen, bevor du es aussprichst.“
„Warum bist du überhaupt dazu in der Lage?“ Elias tat einen Schritt zurück, als Nico sich ihm näherte, und schüttelte den Kopf, als könnte er seine nächsten Worte selbstständig verneinen. „Und sag jetzt nicht, du liest meine Gedanken …“
„Nein, das nicht. Nicht direkt … Hör mal, wir sollten das wirklich in einer ruhigen Minute bereden. Lass uns erst einmal zurück zu dir gehen und …“ Nico beendete seinen Vorschlag nicht. Vielleicht war es etwas in Elias’ Blick, das ihn innehalten ließ. Und so fuhr er seufzend fort: „Deine Gedanken kann ich weder gezielt lesen, noch zufällig mithören, nein. Es sind deine Gefühle. Ich kann sie spüren. Zu einem Teil die körperlichen – diese aber nur, wenn ich dir sehr nahe bin –, vor allem jedoch die inneren … die … seelischen, wenn man das so nennen kann.“
„Nein!“ Elias keuchte fassungslos auf. „Du irrst dich.“ Seine Worte hatten nichts von einer Feststellung, sondern glichen einer Bitte. „Du liegst falsch!“
„Das ist ausgeschlossen, Elias. So etwas kann man sich nicht einbilden. Zum Beispiel heute in der Küche … Dein Gefühl, als ich dich berührt habe. Ich spürte es deutlich.
Oder gerade eben erst, in der Kirche. Obwohl du es wirklich nicht gezeigt hast, konnte ich deine Abneigung gegenüber Elisabeth und Melchior ganz deutlich spüren.
Das stärkste Gefühl, das du seit dem Biss empfunden hast, war bei dem Kuss. Du warst …“
„Ich will das nicht hören!“ Elias warf die Hände in die Höhe, um ihn zum Schweigen zu bringen – und auch, um ihn auf Abstand zu halten, denn Nico kam einen weiteren Schritt auf ihn zu.
„Hör mal, ich weiß, wie schockierend das für dich ist …“
„Selbstverständlich weißt du das!“ Elias lachte freudlos. „Du kannst es schließlich spüren.“ Seine Stimme war nun eine Mischung aus Hysterie und Flehen. „Man kann diese Wirkung bestimmt aufheben? Richtig?“
Der Ausdruck in Nicos Gesicht nahm ihm bereits jede Hoffnung, noch ehe die Antwort kam.
„Aber du kannst es kontrollieren, oder? Oder ich – ich kann lernen, mich nach außen hin abzuschotten? Ja?“ Seine letzte Silbe war nicht mehr als der Hauch eines Lautes gewesen. Verzweiflung übermannte Elias.
„Momentan weiß ich nicht mehr darüber als du.“ Nico sah ihn beinahe entschuldigend an. „Vielleicht kann ich es erlernen und irgendwann mal kontrollieren, keine Ahnung.“
„Und wenn wir gerade nicht zusammen sind? Wie ist es, wenn wir auf Abstand sind?“
„Um ein Vielfaches schwächer. Eher wie ein eigenes Bauchgefühl, das sich schwer einordnen lässt. Als ich dich gestern im Bad fand – am Morgen nach der Verwandlung –, da sagte mir mein Inneres, dass etwas nicht stimmt. Ich war verzweifelt, verwirrt, ängstlich … Erst später merkte ich, dass dies nicht mein eigenes Gefühl war.“ Nico hielt inne. „Warum fragst du?“ Seine Augen weiteten sich vorausahnend.
„Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als uns erst einmal aus dem Weg zu gehen“, erklärte Elias fast förmlich, obwohl er wusste, dass es ihm trotz aller Mühen nicht gelang, dadurch sein Innenleben unzugänglich zu machen. Nico nahm es in jeder Sekunde wahr. Alles.
„Was soll der Mist?“, fuhr der ihn plötzlich an, klang aber mehr gekränkt als wütend. „Wir beide wissen genau, was dein einziges Problem bei der Sache ist.“ Nico überging Elias’ Versuch, dazwischen zu reden. Er ließ sich nicht abwürgen. „Dabei weiß ich doch längst, wie du für mich empfindest! Auch wenn du mir jetzt aus dem Weg gehst, weiß ich es! Es ändert sich nichts! Du
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