Blutige Küsse und schwarze Rosen
herum herrschte absolute Finsternis. Nicht einmal der Mondschein jenseits des dichten Blätterdaches drang in den Wald hinein. In jeder anderen Nacht hätte er dieses Zwielicht als belebend empfunden, in diesem Moment dagegen legte sie sich wuchtig und drückend über Elias.
„Hast du nicht“, versicherte Nico. „Ich habe deine Anwesenheit gespürt.“ Sein Blick verriet, dass ihn etwas beschäftigte, dennoch schwieg er.
„Was tust du eigentlich allein hier draußen? Warum hast du mich nicht geweckt? Wir hätten längst aufbrechen sollen.“
Wieder huschte der Ausdruck von eben in Nicos Augen.
„Darüber wollte ich mit dir reden“, setzte er zögernd an und fuhr sich unentschlossen durch das Haar. „Ich finde nämlich, dass du nicht mitkommen solltest. Das Ganze hat nicht das Geringste mit dir zu tun und ich fühle mich nicht wohl dabei, dich deswegen in Gefahr zu bringen.“ Schulterzuckend fügte er hinzu: „Ich war schon drauf und dran, einfach zu gehen, während du geschlafen hast, aber das kam mir auch nicht richtig vor.“
Ein zentnerschwerer Brocken fiel Elias vom Herzen, als er den tatsächlichen Grund für Nicos Verhalten hörte. Nur währte diese Erleichterung nicht lange. Sie wich der Wut.
„Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Mein Vormund? Ich kann sehr gut für mich selbst Entscheidungen fällen! Und wenn du denkst, dass ich mit all dem nichts zu tun habe, irrst du dich gewaltig! Nicht nur, weil du meinetwegen verflucht bist, habe ich sehr wohl etwas damit zu tun, nein – sondern weil es hier um dein Leben geht! Dafür würde ich …“
Er verstummte abrupt, als sich ein erneuter Schwindel in seinem Kopf breitmachte. Entkräftet lehnte er sich an den dicken Stamm eines Baumes und atmete tief durch. Die Stille des Waldes schien nach seinem Wutausbruch beinahe spöttisch.
„Komm zum Auto“, wies ihn Nico an, ohne auf die vorangegangenen Worte einzugehen, und legte Elias’ Arm um seine Schultern, um ihm Halt zu geben. „Du musst essen“, erklärte er und begann plötzlich breit zu grinsen. „Beim Orgasmus verbraucht ein Vampir sehr viel Energie. Dank Elisabeth und Melchior weiß ich auch über solche wichtigen Dinge Bescheid. Ich sollte echt ein Buch schreiben: Der neue Vampirlebensführer ! Jedenfalls, darum der Blackout danach: Haben wir kurz davor kein Blut zu uns genommen, sind wir erst mal weg.“ Schmunzelnd setzte Nico ihn am Rande der Ladefläche ab. „Dafür ist der Sex für uns Vampire um ein Vielfaches intensiver und besser.“ Er reichte ihm eine volle Flasche Blut. „Hier, die musst du austrinken. Ich habe vorhin schon getrunken. Wir werden Elisabeths Blutdealernetz übrigens irgendwie übernehmen müssen, um zu Hause an mehr Blut zu kommen. Vorausgesetzt, wir überleben diese Sache.“
Protestlos begann Elias, direkt aus der Flasche zu trinken. Und obwohl er die rasche Wirkung des Blutes – so fade es im kalten Zustand auch schmecken mochte – bereits kannte, verwunderte es ihn wie beim ersten Mal, dass ihn nach wenigen Schlucken ein Energieschub durchströmte.
„Ich verstehe gar nicht, wie du durch das bisschen Blut, das ich dir in meiner Wohnung gegeben habe, noch genug Kraft zum Weglaufen hattest, nachdem ich dir einen runtergeholt hatte.“ Ein Grinsen umspielte Nicos Lippen. „Oder hast du mir den Orgasmus vorgetäuscht?“
Es fehlte nicht viel und Elias hätte sich verschluckt. Er konnte sich das Lachen nicht verkneifen und auch sein Freund fiel in dieses mit ein. Es war ein herrlich befreiendes Gelächter, ein federleichter Moment.
Erst Minuten später seufzte Nico plötzlich resignierend.
„Dann kann ich dich also nicht umstimmen“, meinte er und musterte Elias. „Du willst um jeden Preis mitkommen.“ Das war keine Frage, sondern eine einfache Feststellung.
„Um jeden Preis“, bestätigte Elias. Und als sein Freund erneut seufzte, klang es, als würde eine gewisse Erleichterung darin mitschwingen.
***
Nachdem Elias den wuchtigen Kastenwagen mühsam aus dem Wald heraus manövriert hatte, dauerte die Fahrt nach Cornrowl nicht mehr lange. Es blieb gerade einmal genug Zeit, um die letzten Details ihres Vorgehens durchzusprechen, als sie auch schon in die abgeschiedene Kleinstadt einfuhren.
Da Nico es für besser hielt, außer Sichtweite der Vampire und Partygäste zu parken, hielten sie in einer abgelegenen Sackgasse und legten den Weg bis zum See zu Fuß zurück.
„Wir müssen ein Stück weit aus dem Ort hinauslaufen“, erklärte er.
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