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Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Meerling
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bekam er ein dankbares Lächeln seines Freundes. Er wusste, was in ihm vorging: Vor drei Jahren wurde er an genau diesem Ort angefallen und verwandelt. Möglicherweise trieb sich sein Erschaffer auch jetzt irgendwo auf der Party herum. Es musste ein grausames Gefühl sein, nicht einmal das Gesicht seines Angreifers zu kennen. Vielleicht hatte er ihm heute sogar schon in die Augen gesehen, ohne es zu wissen? Vielleicht wurde er in eben diesem Moment von seinem Peiniger beobachtet und verspottet …
    „Hierher“, wies Apollinea an und riss Elias aus seinen Gedanken.
    Er und Nico wurden auf die andere Seite des großen Sees geführt. Hier, wo die Bäume dicht an dicht wuchsen, war niemand außer ihnen zu sehen. Das Wasser wirkte wie schwarze Tinte, die fast lautlos über das Ufer brandete und die Erde dunkel färbte. Lediglich das Abbild des abnehmenden Halbmondes schwebte auf den Wellen und durchbrach die allgegenwärtige Finsternis.
    Sie hielten nahe einer hohen Trauerweide, die direkt am Gewässer stand. Die hängenden, ausladenden Äste wogten im Wind hin und her und warfen vereinzelt ihre länglichen Blätter ab.
    Apollinea zögerte einen Augenblick, musterte zunächst Elias und anschließend Nico nachdenklich. Dann aber fiel ihr Blick erneut auf das dicke Buch in dessen Armen und sie raffte ihr pompöses rotes Kleid, um sich niederzuknien. Als sich ihre Fingerspitzen in die feuchte Erde gruben, bemerkte Elias den unscheinbaren rostigen Eisengriff, der dort am Rande des Gewässers verborgen war. Mit einem schnellen Ruck öffnete Apollinea eine Falltür aus massivem Stein und gab den dahinter liegenden Gang frei. Sein fast senkrechter Abstieg führte unter den See, direkt in Richtung der anderen Uferseite.
    „Ihr folgt mir lautlos“, erklärte sie im Flüsterton, der dem gebieterischen Klang ihrer Stimme jedoch keinen Abbruch tat. „Ich will nicht ein einziges Wort von euch hören, bis wir bei Sânge sind. Sollte er bereit sein, euch zu empfangen und euch zu sprechen gewähren, erzählt ihr ihm alles, was er wissen will. Falls er nicht wünscht, euch zu sehen, wäre jeder Einwand töricht.“
    Auf eine Handbewegung hin begannen Elias und Nico hinunterzusteigen. Apollinea folgte ihnen, nachdem sie den Durchgang wieder verriegelt hatte.
    Die ersten abgetretenen Steinstufen waren nass und rutschig, da vereinzelte Wogen des Sees Wasser durch die offene Falltür hatten hereinschwappen lassen. Dicke Baumwurzeln bohrten sich zu Beginn des Gangs durch die künstlich mit grobem Kalkstein verkleideten Wände. Diese warfen das Geräusch der Schritte als kaltes Echo wider. Elias stellten sich die Nackenhärchen auf und er erschauderte.
    Mit vor der Brust verschränkten Armen spähte er durch den Tunnel und erkannte weit vor ihnen ein schwaches Licht, dessen Flackern sofort verriet, dass es sich um den Schein von Feuer handelte. Es strahlte eine so intensive Wärme aus, dass Elias sich davon angezogen fühlte. Es war, als würde sich die Sonne nach einer nicht enden wollenden Nacht hinter dem Horizont erheben. Eine Sonne, die Nico vielleicht nie mehr sehen durfte …
    Als die Stufen endeten und sie etwa die Mitte des Gewässers über ihren Köpfen erreicht haben mussten, versperrte ihnen eine bogenförmige Holztür den weiteren Weg. Durch einen handbreiten Spalt am Boden drang das Licht des dahinter liegenden Zimmers, das Elias zuvor wie eine Motte gelockt hatte, in den dunklen Gang.
    Apollinea trat vor und legte erinnernd einen Zeigefinger an ihre Lippen, ehe sie die schwere Tür aufdrückte.
    Im nächsten Moment stockte Elias beinahe der Atem.
    Vor ihnen erstreckte sich eine große, kreisrunde Halle mit Deckengewölbe, in die mehrere Korridore mündeten. Ihr Boden bestand aus poliertem, schwarzem Marmor und die hohe, durchgehende Wand war in feines Blattgold gehüllt. An dieser waren in regelmäßigen Abständen schmiedeeiserne Halterungen befestigt, deren brennenden Öllampen die Pracht des Raumes wirkungsvoll beleuchteten.
    Elias hatte im Vorfeld nicht einen Moment darüber nachgedacht, welche Art von Behausung Nico und ihn hier erwarten mochte. Nun wurde ihm bewusst, dass er am allerwenigsten mit solch einem Prunk gerechnet hatte. Neben einem Anflug von Begeisterung empfand er diesen vor allem aber als einschüchternd. Hier lebten gewiss keine Vampire, die mit sich verhandeln ließen. Hier lebten Vampire, die Bedingungen stellten und Gehorsam forderten.
    Apollinea schritt quer durch die Halle und Elias und Nico folgten

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