Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Meerling
Vom Netzwerk:
„Dort soll das Fest heute stattfinden, direkt an dem Baggersee.“
    Selbst wenn Elias das deutliche Unbehagen in der Stimme seines Freundes nicht hätte hören können, so hätte er dieses gesehen. Nico hielt das beschädigte Buch mit den kyrillischen Aufzeichnungen fest vor den Bauch gepresst, als biete ihm der dicke Einband Schutz vor der Außenwelt. Seine Augen waren starr auf die sanierungsbedürftige Straße geheftet, mieden jeden Blick um sich herum. Es machte den Anschein, als hätte sich Nico in einem dieser Alpträume wiedergefunden, in denen man genau wusste, wo das furchtbare Ende auf einen wartete – ohne welches der Nachtmahr jedoch nie abreißen würde.
    „Und dann suchen wir den Anführer“, resümierte Elias den Plan, den sie sich während der Autofahrt zurechtgelegt hatten, und betrachtete den Wälzer, welchen sie nach langem Zögern beschlossen hatten mitzunehmen. Ohne diesen zu sehen – und nur mit dem Versprechen, ihn ausgehändigt zu bekommen – würden die anderen Vampire Elias und Nico vermutlich keinen Glauben schenken und sie mit Sicherheit nicht einmal in die Nähe des Anführers lassen.
    „Ja, falls es denn einen gibt. Laut Melchior haben die meisten größeren Vampirgruppen eine Art Anführer, um die Ordnung innerhalb des Zirkels zu wahren. Und mit genau dem müssen wir reden.“
    Die Wohnhäuser im Rücken bogen sie auf einen mit Kies aufgefüllten Fußweg ab, der zum Stadtrand von Cornrowl führte, und bald in einen ausgetretenen, von verwachsenen Büschen gesäumten Pfad mündete. Von hier aus war ein kleines Tal zu sehen, das sich wenige Hundert Meter vor ihnen erstreckte und in dessen Mitte die im Mondschein funkelnde Oberfläche eines Sees zu erkennen war. Mehrere Dutzend Feiernde tummelten sich bereits zwischen den hohen Bäumen, die sich um das Gewässer herum in den sternenklaren Nachthimmel erstreckten. Nur die wenigsten von ihnen tanzten zu der leise wummernden Musik.
    „Meinst du, das sind alles Vampire?“, fragte Elias. Die alleinige Vorstellung schnürte ihm die Kehle zu.
    „Nein, Menschen.“ Mit einem Kopfnicken deutete Nico auf die Szenerie. „Siehst du das Feuer? Es ist warm und Vampire bräuchten das Licht nicht. Dieses Fest ist ganz offensichtlich für Menschen inszeniert. Nur kennen wir noch nicht den Grund.“
    Nun fielen auch Elias die hüfthohen, in den Boden gerammten Fackeln auf, die überall im Tal verteilt waren. Ihre Flammen flackerten im Wind und tauchten das Areal in ein unwirkliches, schummriges Licht.
    „Jetzt können wir noch umkehren und gehen“, meinte Nico plötzlich und musterte ihn aus besorgten Augen, die er zum ersten Mal seit Minuten vom Weg abwandte. „Sind wir aber erst einmal drin …“
    „Wir werden keinen Rückzieher machen“, wandte Elias entschlossen ein und als sein Blick den seines Freundes traf, waren für einen kurzen Moment alle Zweifel verschwunden. Denn er wusste, für wen er all das tat. „Das kommt gar nicht infrage.“
    Die Schwingungen des tiefen Basses ließen den Erdboden mit jedem Meter, den Elias und Nico gingen, stärker erbeben. Im Tal spielte melancholische, düstere Musik. Sie schaffte die perfekte Atmosphäre, floss hervorragend in das Konzept der Feier ein – ebenso wie die Partygäste. Die Frauen trugen lange weinfarbene und schwarze Corsagenkleider, deren Röcke mit Tüll- und Netzstoffen verziert waren. Ihre Lippen waren blutrot, die Lider dunkel geschminkt. Und selbst die Männer hatten schwarz umrandete Augen, wie Elias dank seiner geschärften Sehkraft schon aus Dutzenden von Metern erkennen konnte. Einige waren ganz in Leder gekleidet, die meisten von ihnen trugen jedoch schwarze, nietenbesetzte Westen und mit Ketten behängte Bondagehosen.
    So auch der junge Mann, von dem Elias und Nico überholt wurden, kurz bevor sie die Party erreichten. Er hielt vor einem niedrigen Tisch, auf dem mehrere kleine Behälter standen, deren Inhalt nicht zu erkennen war. Zunächst vermutete Elias, dass dies die provisorisch aufgebaute Kasse sein musste, an der die Besucher für den Eintritt zu zahlen hatten. Als eine hochgewachsene, schlanke Frau an ihn herantrat, war es allerdings kein Geld, das der Mann ihr gab.
    Ohne zu zögern, streckte er ihr seinen nackten Arm entgegen und sah dabei zu, wie ein Skalpell artiges Messer an seine Handinnenfläche gesetzt wurde. Die Klinge blitzte im Schein einer nahegelegenen Fackel auf, als sie sich in seine Haut grub, und diese längs der Pulsschlagader teilte. Sofort

Weitere Kostenlose Bücher