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Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Meerling
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seinen Schoß platzierte, ihn wie ein schlafendes Kind an die Brust lehnte und zärtlich umarmte. „Das muss bedeuten, dass …“
    „Ich weiß.“ Naferia nickte, wandte sich mit gequälter Miene von den Gefangenen ab und hob eine offene Handfläche gegen die in Stein geschlagenen Symbole, ohne sie zu berühren. „Die Ornamente sagen es mir.“
    „Werden sie ihm schaden?“ Elias schaute besorgt zu ihr hinauf. „Die Ornamente?“
    Er spürte wie bereits ein Mal zuvor die schwarze, drückende Macht der geschnörkelten Zeichen, die auf jeder Wand sowie an Boden und Decke des Zimmers prangten. Schwer legte sich diese über ihn, breitete sich schmerzhaft auf seinem Herzen und seiner Seele aus.
    „Nicht seinem Körper, nein.“ Naferia hatte offenbar Mühe, sich in Gegenwart der völlig ausgemergelten, mit Bissen und Kratzern übersäten Menschen aufrecht zu halten. Ihr fahles Gesicht offenbarte ihre Pein und ihre auf den Magen gelegte Hand die Übelkeit, die sie empfand. „Aber wenn er zu lange hier bleibt, erleidet Nico dasselbe Schicksal wie diese bedauernswerten Seelen.“ Mit einem kurzen Blick deutete sie zu den Körpern an der Wand. „Dies gilt übrigens auch für dich. Die angebrachten Zeichen töten jedes Quäntchen Licht in dir und betäuben dich, während sie deinen Geist festhalten und ihm somit nicht erlauben, zu fliegen. Du tätest gut daran, mit mir den Raum zu verlassen.“
    „Ich werde nicht ohne Nico gehen.“
    Elias dachte nicht einmal daran. Selbst wenn es noch Stunden oder gar Tage dauern sollte, bis sein Freund endlich zurück zur Besinnung kam: Er würde an seiner Seite warten und da sein, wenn Nico in dieser Hölle auf Erden erwachte.
    Mit einem sichtbaren Widerspruch auf der Zunge, der jedoch nicht den Weg über ihre Lippen fand, bekreuzigte sich Naferia, verließ die Kammer und schloss hinter sich die hölzerne Tür. Das letzte, das Elias von der Vampirin sah, war ihr wallendes, kastanienbraunes Haar.
    Dann wurde es dunkel.
    Nico und Elias waren alleine in einem Raum, in dem der Tod herrschte. Wenige Zentimeter neben ihnen lag noch immer die Asche Apollineas verstreut – ihr ausgetrocknetes, wie zu Granit erhärtetes Herz nur einige Schritte weiter. Und an der Wand gegenüber klapperten und rasselten die stählernen Ketten, die die trostlosen Gestalten bei jeder ihrer Bewegungen behinderten und sie wieder und wieder zu Boden stürzen ließen.
    Was wurde ihnen nur angetan? Welches Leid hatten sie durchleben müssen und wie lange gehofft, irgendwann ihre Freiheit zurück zu erlangen? Hofften sie vielleicht nach wie vor? War das leise, schwache Röcheln des nackten Mannes ein Versuch, um nach Hilfe zu bitten? Ungeachtet seiner ausgerenkten Schulter humpelte er ständig von Neuem auf Elias zu, obwohl die Fesseln ihn jedes Mal in die Knie zwangen. Mit trübem, leerem Blick starrte er direkt in Elias’ Augen und öffnete seine trockenen, aufgesprungenen Lippen. Aber alles, was er hervorbrachte, war ein qualvoll klingendes, raues Geräusch, das tief aus seiner Kehle stammte und Elias fürchterlich schmerzte.
    „Erst muss ich Nico retten“, wisperte er unter Tränen und ohne zu wissen, ob ihn auch nur irgendeiner der Gefangenen hörte oder gar verstand. „Versteht das bitte … Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll …“ Das Atmen fiel ihm mit jeder gesprochenen Silbe schwerer. „Doch ich werde alles versuchen, um euch zu erlösen … Nur zuerst muss ich Nico retten …“ Er schloss die Lider und drückte den Körper seines Freundes fester an sich, als könne er ihn vor der unsichtbaren, tödlichen Macht beschützen, die sie einschloss. „Zuerst muss ich Nico retten …“
    ***
     
    Stunden vergingen, in denen Elias so an der kalten, harten Steinmauer kauerte und spürte, wie ihm das Luftholen von Mal zu Mal schwererfiel. Möglicherweise waren auch nur Minuten vergangen. Er konnte es nicht sagen. Alles in ihm und um ihn herum verschwamm zu einer zähen, drückenden Masse – lähmte jedes Gefühl, jeden Gedanken.
    Es war eine heisere, kaum vernehmbare Stimme, die diesem allgegenwärtigen Nichts ein Ende bereitete.
    „Du musst uns befreien …“, zischelte sie und ließ Elias zusammenfahren.
    „Beende diesen Schmerz … Erlöse uns und lass uns gehen …“
    Die Worte kamen aus allen Richtungen. Sie echoten in Elias’ Kopf und drangen durch jede Zelle seines Körpers. Er versuchte die Augen zu öffnen – zu sehen, wer zu ihm sprach; woher diese Stimmen ertönten –, aber

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