Blutige Rache
die Eiserne Jungfrau.
»Feigling. Aber zurück zum eigentlichen Thema: Angenommen, Ray Bunton hätte unerwartet eine Steuerrückzahlung erhalten, die einer alten Freundin geschickt wurde, die seinen Cousin in Red Lake angerufen und gefragt hätte, wohin sie den Scheck weiterleiten soll … Dann hätte sie eine Telefonnummer gekriegt. Und die würde zu einer Adresse im südlichen Minneapolis gehören, an der Franklin.«
»Bravo.«
»Genau das brauche ich. Lob.« Sie legte auf.
Ray Bunton. Virgil warf seufzend einen Blick auf das Motel und kletterte wieder in den Truck.
ACHT
Bunton wohnte in einer Bruchbude an der Franklin Avenue, südlich des Minneapolis-Loop, die bestimmt fünfzig Jahre nicht mehr gestrichen worden war und vor der sich ein ausgedörrter Rasen mit tiefen Reifenfurchen und Löwenzahn befand.
Virgil stellte den Truck ein Stück weit entfernt ab, so dass er das Haus in Ruhe betrachten konnte, während er sich näherte. Beim Aussteigen griff er nach kurzem Zögern unter den Sitz, um seine Pistole hervorzuholen, und steckte sie unter der Jacke hinten in den Hosenbund.
Auf dem Weg hörte er eine alte Nummer von Black Sabbath, »Paranoid«, aus einer Stereoanlage oder einem Ghettoblaster dröhnen. Vom Gehsteig aus sah er die Garage hinter Buntons Haus. Dort lag jemand unter einem aufgebockten, ziemlich verrosteten Blazer. Die Unterseite des Wagens wurde von Arbeitsleuchten erhellt. In der Auffahrt stand ein stromlinienförmig geschwungenes Motorrad.
Virgil beobachtete den Mann, der nach einer Weile unter dem Blazer hervorkam und sich die Finger an einem Lappen abwischte. Bunton. Virgil blieb mit den Händen in den Taschen seiner Jeans stehen, bis Bunton ihn bemerkte.
»Hi«, sagte Virgil.
Bunton schaltete den Ghettoblaster auf dem Boden aus; plötzlich herrschte Totenstille.
»Sind Sie von der Polizei?«, fragte Bunton.
»Ja, vom SKA. Ich versuche rauszukriegen, was mit Bob Sanderson passiert ist.«
Bunton ließ das Kinn auf die Brust sinken, holte kopfschüttelnd seine Jeansjacke und zog eine Packung Kools sowie ein verbeultes Zippo-Feuerzeug aus der Tasche.
Bunton war hager und hatte schlechte, vom Nikotin braune Zähne. Seine früher einmal muskulösen Arme begannen schwabbelig zu werden und wiesen rote Flecken von entfernten Tätowierungen auf. Erst nach mehreren Versuchen gelang es ihm, sich eine Kool anzuzünden. Virgil stieg der Geruch des Feuerzeuggases in die Nase. Bunton nahm einen Zug und sagte: »Bobs Zeit war abgelaufen, was soll’s.«
»Irgendeine Ahnung, warum? Oder wer ihn ins Jenseits befördert hat?«
»Nein, aber interessieren würd mich das schon.«
»Kennen Sie einen gewissen Utecht aus New Ulm?«
»Hm.« Offenbar sagte Bunton der Name Utecht etwas.
Als Bunton sich streckte, sah Virgil seine Beinschiene. Er und seine Veteranenfreunde, das wurde Virgil jetzt klar, waren alte Männer, älter als sein Vater. »Also hat Ihnen jemand verraten, dass Bob und ich gemeinsam zu den Treffen gegangen sind?«
»Ja«, bestätigte Virgil. »Hat das alles was mit Vietnam zu tun?«
Bunton lachte und musste husten, Raucherhusten. Als er wieder Luft bekam, klopfte er sich mit der Hand gegen die Brust und sagte: »Wissen Sie was, mein Freund - wie heißen Sie überhaupt?«
»Virgil Flowers.«
»Guter Name. Ich war neunzehn damals in Vietnam, und seitdem hat alles irgendwie mit dem Land zu tun. Viele finden
das toll. Die fahren sogar wieder hin, als Touristen, um sich zu vergewissern, dass das real war.«
In Buntons Adern floss wohl nicht allzu viel indianisches Blut, dachte Virgil. Wie auf den Fotos wirkte er eher schottisch als indianisch, ein bisschen wie der feige Löwe in Der Zauberer von Oz .
»Ich war selber beim Militär, allerdings nie in schweren Gefechten, also kann ich’s nicht wirklich nachvollziehen, aber ich glaub’s Ihnen«, sagte Virgil.
»Nett von Ihnen.«
»Soweit ich weiß, war Sanderson nicht in Vietnam, sondern in Korea. Ich soll rausfinden, ob er für den Geheimdienst gearbeitet hat und Korea nur Tarnung war.«
»Doch nicht Bob. Der war …« Bunton warf den Schraubenschlüssel, den er bis jetzt in der Hand gehalten hatte, in einen offenen Werkzeugkasten aus Metall. »Geben Sie mir doch mal den andern, ja?«, bat er Virgil.
Virgil, der nicht weit von dem alten Mann entfernt neben dem Kotflügel des Trucks stand, drehte sich um. Als er merkte, dass da kein zweiter Schraubenschlüssel war, spürte er schon den Schlag am Kopf, genauer
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