Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blutige Rache

Titel: Blutige Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
gehen.«
    »Dann kriechen Sie.«
    Ray drehte sich zum Van um, und der Schütze trat näher, weil er glaubte, er würde hinfallen. Da knallte Ray die Tür zu und griff den Schützen mit gesenktem Kopf an. Doch der schob ihn weg, und bei der zweiten Attacke Rays schoss er ihm ins Herz.
     
    Der Schütze rekapitulierte, wie viel Zeit die Aktion gekostet hatte: maximal dreißig Sekunden vom Schuss auf den Polizisten bis zu dem Moment, in dem Ray tot zu Boden sank. Der Schütze hievte den Polizisten wieder in den Wagen, schaltete den Scheinwerfer aus, bewegte das Fahrzeug an den Straßenrand, machte den Motor aus, schlug die Tür zu.

    Bunton.
    Der Schütze verbrachte fünf Sekunden damit, die lange, dunkle Straße in beide Richtungen hinunterzuschauen: nichts, abgesehen vom Scheinwerferlicht seines eigenen Vans. Er zerrte Bunton am Kragen seiner Jeansjacke hin und schob ihn in den hinteren Teil.
    Wischte sich die Hände ab. Was hatte er vergessen?
    Ihm fiel nichts ein.
    Wieder ein Fehler. Ein weiterer Toter, aber kein Name. Diese Leute waren härter als gedacht. Er hatte sich von dem reibungslosen Ablauf bei Utecht täuschen lassen.
    Er wählte fluchend die Nummer des Scouts. »Ende der Aktion. Zwei ausgeschaltet. Ich komme.«
     
    Der Schütze fuhr zügig, aber wachsam durch die Dunkelheit und ließ Red Lake hinter sich. Nur noch ein Name auf der Liste. Der Scout hatte mit Bunton sprechen, ihn bearbeiten wollen. Doch was konnte man an einem Ort wie diesem schon tun? Vom Scout wusste er, dass alle ihn und seinen Van kennen würden, wenn er eine Stunde offen im Reservat zubrachte.
    Das nächste Opfer mussten sie nun zu einem Gespräch isolieren, sonst wäre das Spiel vorbei.
    Dem Schützen wurde übel von dem Blutgeruch im Van. Er griff in die Einkaufstüte auf dem Beifahrersitz, holte die Zitrone heraus, schabte die Schale ab und hielt sich die Frucht vor die Nase, um den Gestank zu bekämpfen.
    Aber es funktionierte nicht.
    Diesen Blutgeruch, das wurde dem Schützen klar, würde er nicht mehr loswerden. Er konnte ihm nicht entkommen.

FÜNFZEHN
     
     
     
     
    Die Dunkelheit war voll von Sternen wie in einem Gemälde von Van Gogh. Virgil folgte den roten Rücklichtern der Autos ins Seenland. Er fuhr zum Pinkeln auf die Raststätte, wo Wigge und David Ross erschossen worden waren. Keine Spur mehr von den Morden. Ein junges Paar saß mit zwei Kindern neben dem hinteren Pavillon, ganz in der Nähe des Tatorts, und aß Weißbrotsandwiches im Licht einer Camping-Lampe.
    An der Ausfahrt streckte ein groß gewachsener, schlanker Junge mit blonden Haaren und Rucksack den Daumen heraus, und Virgil hielt an und öffnete die Tür. »Wo willst du hin?«
    »Nach Duluth, ein Schiff erreichen.«
    »Ich kann dich den größten Teil der Strecke mitnehmen«, bot Virgil ihm an.
    Der Junge stieg ein und betrachtete die Lichter am Armaturenbrett. »Sind Sie bei der Polizei?«, fragte er.
    »Ja.«
    »Ich weiß, in dieser Gegend dürfte ich eigentlich nicht per Anhalter fahren.«
    »Mach dir darüber mal keine Gedanken. Hier gibt’s nur wenige Straßen, auf denen ich das nicht selber gemacht habe.«
    Don, so hieß der Junge, war auf einer Farm außerhalb von Blooming Prairie aufgewachsen, hatte ein Jahr an der University
of Minnesota studiert und in der Nacht für UPS Pakete gehievt, bis er merkte, dass das nicht das Richtige für ihn war.
    »Immer zu müde zum Lernen, und die Uni … was für eine Scheiße«, erzählte er. »Ich hab überschlagen, wie lang ich mit dem Studium brauchen würde, bin auf sechs Jahre gekommen.«
    Virgil hatte dieselbe Universität besucht, und so ergab sich genug Gesprächsstoff. Don gestand, dass er alle drei Bände von John Dos Passos’ USA-Trilogie im Rucksack hatte, so oft gelesen, dass sie sich allmählich auflösten. An Joseph Conrads Herz der Finsternis beeindrucke ihn besonders der zweite Absatz über London.
    »London«, schwärmte er. »Ich würde viel dafür geben, London zu sehen.«
    »Ist dir die Schiffspassage sicher?«, fragte Virgil
    »Ein Typ hat mir zugesagt, dass er mir eine beschaffen kann. Wahrscheinlich muss ich dafür ganz schön schuften, aber das ist mir egal - schließlich bin ich auf’ner Farm aufgewachsen. Auf einem Schiff wird die Arbeit auch nicht härter sein.«
    Vermutlich hatte der Junge recht, dachte Virgil und wünschte sich einen Moment lang, er könnte ihn begleiten.
    Er ließ Don an der I-35 auf der Höhe von Moose Lake hinaus und fuhr dann auf kleineren Straßen in

Weitere Kostenlose Bücher