Blutige Rosen
sagen? Er hätte doch ruhig Jack davon informieren können. Aber nein, das alles musste aussehen wie eine Verschwörung. Als würden wir etwas Unrechtes tun. Nur keinem davon was sagen. Das ist es, was mich stört, Dennis.«
»Er machte es eben gern spannend.«
Dahlia schüttelte den Kopf. »Die Erklärung zieht bei mir nicht. Ehrlich.«
»Willst du zurückbleiben?«
»Ich habe einmal in den sauren Apfel gebissen und esse ihn auch auf.«
Dennis grinste. »Dann ist ja alles klar,«
»Nur komisch, dass er Lilian nicht dabeihaben wollte. Sie war in letzter Zeit ziemlich verändert.«
»Wie meinst du das?«
»Genaues hat sie mir nicht gesagt, aber sie meinte mal, dass wir mit Harry noch unsere Überraschungen erleben würden. Und die wären verdammt nicht gut.«
»Ach, Lilian hat viel geredet. Du kennst sie doch.«
»Nein, nein, da hatte sie schon recht. Das war etwas anderes. Ich traue ihm nicht über den Weg.«
»Was hast du auf einmal?«
Dahlia hob die Schultern. »Vielleicht bin ich sensibler als ihr. Lilian war auch sensibel.«
»Du sprichst, als wäre sie tot.«
»Um Himmels willen, mal den Teufel nicht an die Wand.« Dahlia bekam plötzlich Angst. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich so, dass Dennis lachen musste.
»He, ihr beiden!« rief Harry Goring. »Wollt ihr nicht, oder braucht ihr eine Extraeinladung?«
»Wir kommen!« erwiderte Dennis laut. Er stieß seine Freundin an. »Los jetzt, Mädchen, reiß dich zusammen.«
»Ja, ja.« Dahlia hakte sich bei Dennis ein. Gemeinsam schritten sie auf den Turm zu, dessen Eingang wie der dunkle Schlund einer Höhle wirkte. Dennis merkte, dass Dahlia zitterte, und legte seinen Arm um ihre Schultern.
Er krauste die Stirn. Jetzt hatte Dahlia ihn mit ihrer Rederei auch schon nervös gemacht. So ganz geheuer war diese Gegend wirklich nicht, aber es kam immer auf den Blickwinkel an, mit dem der Betreffende die Sache sah.
Dicke Wolken segelten über den dunkelgrauen Himmel. Vom Fluss her war ein monotones Rauschen zu hören. Trotz der Nachtstunde flogen die Vögel. Man sah sie nicht, aber die krächzenden Schreie übertönten hin und wieder das Geräusch des fließenden Wassers. Die anderen hatten den Turm bereits betreten. Nur Harry Goring stand draußen. Er hatte sich leicht gebückt neben den Eingang gestellt und winkte.
»Kommt, kommt!« rief er. »Ich will hier nicht anwachsen.«
»Ja, ja, Eile mit Weile«, gab Dennis zurück.
»Noch haben wir eine Chance«, flüsterte das Mädchen.
»Wie meinst du das?«
»Wir können verschwinden.«
Harry lachte auf. »Dafür besteht kein Grund. Siehst du etwas?«
»Nein.«
»Na bitte.«
»Aber ich fühle es. Hier stimmt etwas nicht. Das kommt mir vor wie eine Falle.«
»Jetzt hör aber auf.« Dennis war wirklich sauer. »Du kannst mit deiner Rederei ja ganze Völkerstämme nervös machen. Der Turm ist harmlos, glaube mir.«
»Ich weiß es nicht.«
»Hat sie Angst?« fragte Harry Goring, der natürlich etwas bemerkt hatte.
»Ja.«
Goring grinste Dennis an, dann das Mädchen. Er hob seinen Arm und streichelte Dahlias Wange. »Du brauchst doch keine Furcht zu haben, Kleine. Ich bin bei dir.«
»Fass mich nicht an!« zischte Dahlia.
»He, was hast du denn?« Harry tat entrüstet. »Ist sie launisch?« fragte er Dennis.
»Nein. Der Turm ist ihr nicht geheuer.«
Harry lachte. Dahlia fand, dass es unecht klang, sagte jedoch nichts.
»War er mir beim erstenmal auch. Vor allen Dingen in der Dunkelheit. Aber ihr werdet sehen, alles ist okay.«
»Und was sollen wir darin?« fragte Dahlia.
»Ihn uns ansehen, mehr nicht.«
»Im Dunklen?«
»Keine Bange. Für Licht sorgen wir schon. Darauf kannst du dich verlassen.«
Dahlia hob die Schultern. Sie wollte kein Spielverderber sein und machte mit. Gemeinsam mit Dennis passierte sie den wartenden Harry Goring. Beide sahen nicht dessen hintergründiges Lächeln, als sie das Innere des Turms betraten.
Hier war es dunkler als draußen. Dahlia kam sich vor wie in einem gewaltigen Grab. Sie sah die Zwillinge nicht, aber sie hörte sie sprechen. Obwohl sie nur miteinander flüsterten, klangen ihre Stimmen ziemlich laut und besaßen einen echohaften Widerhall.
Als Dahlia sich umdrehte und ihr Gesicht dem Eingang zuwandte, sah sie Harry Gorings Umriss in dem Rechteck. Er stand dort wie ein Wächter. Dahlia rieselte es kalt den Rücken hinab. Ihre Angst hatte sich nicht verflüchtigt, trotz der beruhigenden Worte vorhin. Im Gegenteil, sie war stärker geworden. Dahlia
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