Blutige Seilfahrt im Warndt
welche Bedeutung es für die Drahtzieher hat, wenn jemand aus diesem Geschäft aussteigt.« Auf die fragenden Gesichter fügte er rasch an: »Normalerweise ist es so, dass der Erlös unter allen Teilnehmern aufgeteilt wird. Je weniger mitmachen, umso mehr bleibt für die anderen übrig. Also wäre das doch kein Motiv. Falls diese Männer jedoch nicht einfach nur aussteigen, sondern dieses schmutzige Geschäft sogar anzeigen wollten, dann wäre das auf jeden Fall ein Motiv.«
»Das ist es! Die Frauen haben ihren Männern ins Gewissen geredet, die wollten auf den Pfad der Tugend zurück, daraufhin mussten sie sterben«, riet Andrea drauf los.
Schnur bremste: »Damit können wir nicht arbeiten. Die Frauen müssen wir nochmal befragen. Es könnte sein, dass sie aus Scham nicht alles gesagt haben, oder weil sie Geld von den Kameraden für ihr Schweigen genommen haben.«
»Und wie passt Arthur Hollinger ins Bild?«, meldete sich Erik zu Wort. »Er war Witwer und hat allein gelebt.«
»Den Fall müssen wir von der anderen Seite aufrollen«, antwortete Schnur. »Was mich außerdem an Hollingers Tod stutzig macht, ist die Kaltschnäuzigkeit, mit der dieser Mord durchgeführt wurde. Er wurde am helllichten Tag getötet. Und laut Bericht des Gerichtsmediziners hat er noch gelebt, als er unter den Walzenschrämlader kam. Da ist doch anzunehmen, dass er laut geschrien hat.«
Darauf konnte niemand etwas sagen.
»Wie kommt es, dass das niemand gehört hat?«
»Er war allein im Stollen«, spekulierte Andrea.
»Durch die offene Tür habe ich die Maschinen laut und deutlich hören können«, gab Anke zu verstehen. »Todesschreie wären bestimmt bis nach außen gedrungen.«
»Vielleicht war er betäubt«, riet Erik.
»War er nicht. Die Blutwerte waren normal.«
»Bewusstlos durch einen Schlag«, schlug Anke vor.
»Er trug den Helm noch, als er in diese Maschine geriet«, widersprach Schnur.
»Halsschlagader abgedrückt«, lautete Andreas Vorschlag.
»Dann müsste unser Mann medizinische Kenntnisse besitzen.«
»Also wissen wir, in welche Richtungen wir ermitteln müssen«, sagte Anke. »Wir suchen einen Bergmann mit medizinischen Kenntnissen.«
»Du greifst nach Strohhalmen«, tadelte Schnur.
»Und du fischst wohl lieber im Trüben«, gab Anke schnippisch zurück.
»Okay, ich habe verstanden. Also soll Grewe für uns rausfinden, ob dort unten jemand ist, der medizinische Kenntnisse hat«, gab Schnur nach. »Außerdem muss er erfahren, was wir über die Einbrüche ermittelt haben. Ich rufe ihn an.«
»Warum ist er heute nicht ins Büro gekommen?«
»Er hat sich entschuldigt, er sei müde«, antwortete Schnur.
»Was hat er gesagt?«
»Angeblich ist Karl Fechter wieder dort unten aufgetaucht. Die Männer, die den Schacht Lauterbach überwachen, haben niemanden kommen oder gehen sehen.«
»Was bedeutet das für uns?«, fragte Anke.
»Ich weiß es nicht. Einen Mann jagen, der offiziell vor elf Jahren für tot erklärt worden ist.« Schnur zog einen Bericht aus dem Papierstapel auf seinem Schreibtisch und sagte: »Hier haben wir das Ergebnis von Buffalo Bill über die Steine aus der Wand am Ende der Gezähekammer.«
»Wo Karl Fechter eingesperrt worden war?«, hakte Anke nach.
»Genau!« Schnur rümpfte die Nase und meinte: »Der geht mir zwar mit seinem amerikanischen Getue auf die Nerven. Aber er leistet gute Arbeit. Er konnte zweifelsfrei feststellen, dass die Steine mit Werkzeugen auf der Seite zur Gezähekammer stark bearbeitet worden sind.«
»Was heißt das?«
»Beim Versuch, sich zu befreien, haben Karl Fechter und Winfried Bode es geschafft, diese Wand zum Einsturz zu bringen. Doch irgendetwas ging dabei schief, denn Winfried Bode hat es offensichtlich nicht überlebt.«
»Dafür Karl Fechter!«, schlussfolgerte Erik.
Schnur stöhnte und meinte: »Bei dem Gedanken, dass dieser Mann elf Jahre im Verborgenen gelebt hat, wird mir seltsam zumute. Deshalb werde ich zuerst einmal alles andere überprüfen, bevor ich mich auch noch von einem Phantom anstecken lasse. Ich werde mir zuerst mal den Fördermaschinisten in Velsen genauer ansehen. Wer weiß, wie gut der den Schacht in Velsen überwacht. Vielleicht kommt und geht unser gesuchter Mann ja mit Siegfried Hemmerlings Einverständnis über diesen Weg.«
Grewe hatte Mühe, seine Augen nicht ständig auf Bonhoff zu richten. Die Erinnerung an seinen letzten Abend machte es ihm schwer, sich zum Arbeiten aufzuraffen. Ständig hatte er das Handy anvisiert und
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