Blutige Spuren
es sich um zwei Messermorde handelt und dass sie in einer räumlichen Beziehung zueinander stehen. Ist doch mein Job, solche Verbindungen herzustellen. «
Sternenberg zog seinen Mitarbeiter ein Stück an der Jacke zurück. » Dein Job ist, dir die Fakten anzuhören, unvoreingenommen. Erst die Empirie, danach die Philosophie. «
» Bitte. Ich sag ja nix. Was haben wir noch, Billie? «
Isabel rümpfte die Nase. » Na ja, das meiste seht ihr: Der Mann ist relativ groß, 1,93 m, dunkelhaarig, Ansatz zum Vollbart, lodenartiger Umhang, dennoch eigentlich zu leicht gekleidet für die Jahreszeit. «
» Ach, ach so! « Tarek gab sich hochinteressiert.
Etwas nervös geworden äugte Isabel zu Sternenberg. » Wir haben noch nichts Wesentliches. Wir sind aufs Spekulieren angewiesen. «
» Nein, nein, mach mal weiter mit den Fakten « , bestärkte sie Sternenberg.
Sie steckte den Stift an eine Geräteseite und rekapitulierte: » Sebastian Seesand liegt hier im Laub, halb auf dem Rücken, während die Einstiche offenbar ausschließlich in seinem Bauchbereich sind. Es gibt vor Ort keine Kampfspuren, dafür allerdings aufgewühltes Laub und zerknicktes Unterholz in besagter Richtung. Daraus lässt sich einigermaßen sicher folgern, dass er sich hierhergeschleppt hat und zusammengebrochen ist. Blutspuren scheinen das zu beweisen, auch wenn die Kriminaltechnik die DNA noch nicht ausgewertet hat. Einen Raubmord können wir ausschließen … «
» Keine voreiligen Schlüsse « , warnte Tarek, mit leicht spöttischem Blick auf Sternenberg.
» Er hat seine Börse dabei « , hielt Isabel dagegen. » Und alle Papiere. Außerdem eine Halskette mit einem silbernen Amulett. Nichts Besonderes. Gefunden hat ihn – sehr klassisch – der Forstmann. «
Tarek amüsierte sich über Isabels gelegentlich leicht unbeholfenen Umgang mit der deutschen Sprache. Er brauchte aber diesmal keine Ermahnung Sternenbergs, um sich wieder einzukriegen. Leise und freundlich ergänzte er: » Förster … «
» Jedenfalls war von diesem Typen nichts anderes herauszubekommen. Nicht hilfreich. «
» Er wird doch aber die üblichen Hinweise gegeben haben « , schätzte Tarek. » Ob schon jemand am Tatort war, ob er etwas angefasst hat, ob sein Köter im Laub gewühlt hat … «
» Er hat mir mit der Jagen-Reform in den Ohren gelegen. – Ja, so hab’ ich auch geguckt. – Seiner Aussage nach sollen die Bezeichnungen für die Flurstücke in den Berliner Forsten geändert werden. Neue Systematik. Darüber hinaus hat er sich darüber ausgelassen, dass überhaupt alles unnötigerweise geändert werde: in neue Postleitzahlen; längere Telefonnummern; neue Geldscheine mit neuer Währung; die Wörter, die wir täglich verwenden, mit der neuen Rechtschreibung; unser Zeitempfinden mit dem Vor- und Zurückdrehen der Uhren jedes halbe Jahr; das Abschrauben von Briefkästen, das Schließen von Bankfilialen … Ach, ich kann mich nicht mehr an all sein Geseire erinnern … «
» Er hat mir wirklich aus der Seele gesprochen « , grinste Tarek. » Und warum sollen die Jagen umbenannt werden? Das heißt, das hier wäre später nicht mehr Nummer 69? «
» Weiß ich nicht. Wusste er auch nicht. Er meinte, damit sei ein externes Büro beauftragt worden, was ihn noch mehr von der Palme holte. «
» Auf die Palme brachte « , korrigierte Tarek.
» Ja, er meinte, unter der Überschrift der ›Verschlankung von Strukturen‹ würde man die Flurstücke vergrößern, indem man mehrere kleinere zusammenlegt, damit es insgesamt weniger gäbe. Soll angeblich, langfristig gesehen, in der Verwaltung sparen. Erst mal bringt das natürlich unendlich viel Aufwand mit sich, weil in den Grundbüchern ja die alten Bezeichnungen eingetragen sind, und die darf man nicht so einfach ändern. Doch anstatt die eigene Forstverwaltung zu beauftragen, wo die Fachleute sitzen, gibt der Senat das Geld für die Planung an eine Unternehmensberatung. Völliger Unsinn, aber das Parlament hat es so beschlossen … «
» Isabel « , unterbrach Sternenberg, » wieder zurück zur Sache – wissen wir etwas über die Angehörigen von Sebastian Seesand? «
» Er hat kein Adressbuch dabei, auch kein Handy. Ich dachte, ich fahre mal in seine Wohnung. «
Sternenberg wandte sich an Tarek: » Bei Adam Gusewski hatten wir keine Verwandten, oder? «
» Nee, Chef. Bis auf Carl Blechen, der war wohl so ’ne Art Blutsbruder von ihm. «
Sternenberg stapfte einige Schritte in den Wald hinein. Das Laub war überall
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