Blutige Spuren
Bäume zu Papier gebracht, ab und zu einen Hügel mit Blick in ein kleines Tal, Wolken.
» Und, was Besonderes? « , fragte Tarek, der sich mittlerweile zu ihm gesellt hatte.
» So schlecht sind die Zeichnungen gar nicht. «
Tarek beugte sich herüber, ließ jedoch bald wieder wenig interessiert davon ab und öffnete eine Klappe in der Schrankwand. » Na, Jungchen, wo haste denn die Kalaschnikow? «
Sternenberg betrachtete eine Skizze, die Gusewski mit seinen Initialen versehen hatte. Es waren Felsformationen und ein angedeuteter Bach, eingerahmt von Pinien.
» Der malt sogar mit Kugelschreiber « , sagte er. » Ich war neulich auf einer Vernissage von einem Russen, der hat ganze Gemälde ausschließlich mit Kugelschreiber gemalt. Eine unendliche Schraffier-Arbeit und ein irrer Effekt. «
» Ist ja waaahnsinnig interessant, Chef. Bbbitte erzähl mir alles von dieser Vernissage! «
» Tarek, du bist ein Kunstbanause. Ich gehe auch nicht so gern auf eine Vernissage. Wenn ich schon all diese schwarz gekleideten Typen sehe … «
» Das hier wird ein Fest für dich sein, Chef. Sieh dir das an! «
In dem Fach hinter der Klappe steckten zwischen allem möglichen Papierkram ganze Packen von Postkarten. Tarek blätterte sie kurz durch.
» Keine davon ist gebraucht. Alles leere Postkarten. «
» Er hat die Motive gesammelt. Mensch, Tarek, sag bloß, du weißt nicht, dass man in Museen Postkarten von Bildern kauft. Tarek – jetzt bin ich aber wirklich erschüttert. Gehört sozusagen zur Allgemeinbildung. «
» Ich bin ja gern mal bescheuert, Chef. Aber das weiß ich nun doch. Hab’ selber so ein paar Postkarten. Allerdings mit Dalí, die zerflossene Uhr. … und die nächtliche Bar mit den drei Leuten. «
» Das Bild ist von Hopper. «
» Jedenfalls hängt das bei mir am Kühlschrank. Hingegen von denen hier –«, er sortierte die Karten, als wollte er sie zu einem Spiel mischen, » von denen wollte ich keines an meinem Kühlschrank haben. «
Sternenberg warf einen Blick auf die Bilder. Bäume, Strandszenen, Felswände, Wasserfälle, Ruinen in malerischer Landschaft. Plötzlich steckte er einen Finger in Tareks Kartenspiel.
» Das hier! Das ist genau das Motiv, das Gusewski mit Kugelschreiber skizziert hat. Nachgemalt. «
» Hm. Kann schon sein. Gefällt dir der Kram? «
» Na ja. Diese komischen Leute hier, diese Fischer, die habe ich schon mal gesehen. « Er drehte die Karte um. » Carl Blechen. Hm. Schon mal gehört von dem Maler, aber ganz dunkel. «
» Die hier auch. « Tarek ging die anderen Karten durch. » Ähm, Chef … Wie du sicherlich auf den ersten Blick gesehen hast, sind die Karten … Warte! Doch, die sind alle von diesem Blechen. Bisschen einseitig, unser Künstler. «
Tarek griff in einen anderen aufrecht im Fach stehenden Stapel, löste den Gummi und sah den Stapel durch. » Wir haben es mit einem Maniker zu tun. Blechen, Blechen, Blechen. «
» Wieso interessierst du dich eigentlich für Dalí, Tarek? «
» Ich hatte eine Braut, die auf den stand. «
» Ach so. « Sternenberg musterte seinen Mitarbeiter kurz von der Seite. » Glaub ich dir nicht. Du findest den Typen gut, oder? «
» Mann, Chef, nötige mich jetzt nicht zu peinlichen Geständnissen. «
» Wie heißt noch mal seine Muse? « , fragte Sternenberg.
» Gala « , schoss es aus Tarek heraus.
» Aha. Schau an … «
Tarek drehte sich langsam zu Sternenberg. » Ich war damals in Figueres und in Cleveland in den Museen. Meine Verflossene hat mich da hingeschleppt. Ich fand den Typen wirklich gut. Weißt du, was der über die Fischer seines Heimatortes geschrieben hat? – Hey, ich bitte dich, erzähl das keinem im Büro. Die ziehen mich alle unendlich auf. Ich habe so lange an meinem Image als Kunstverächter gefeilt … «
Sternenbergs Handy vibrierte.
Tarek suchte die anderen Motive zusammen und bestätigte mimisch, dass alle von Blechen stammten.
» Wir müssen los « , sagte Sternenberg. » Es gibt eine zweite Leiche im Grunewald. «
» Okay. Wieso sammelt der Mann ausschließlich diesen langweiligen Blechen? «
» Und malt seine Bilder nach « , ergänzte Sternenberg. » Vielleicht haben die Motive ihm einfach gefallen. «
Tarek öffnete schnell die restlichen Fächer im Schrank, auf den ersten Blick fanden sie jedoch keine weiteren Postkarten.
Sternenberg ließ noch einmal im Zimmer den Blick schweifen, ging aus Routine in die Hocke und spähte unter Tisch und Bett. Unter dem Bett zog er etwas hervor, das
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