Blutige Spuren
zwei Messerstichen konnte man annehmen, dass sie schwerste Verletzungen innerer Organe herbeigeführt hatten. Unter anderem musste das Herz getroffen worden sein, der Mann war verblutet. Ob er sich gewehrt hatte, ließ sich wegen des vielen Bluts vor Ort nicht anhand der Hände oder der Kleidung feststellen. Portemonnaie, Handy und Schlüssel steckten noch in seiner Jacke.
Um die Leiche herum war das Laub aufgewühlt. Allerdings hatte das Pärchen angeführt, mehrmals entsetzt um den Toten herumgelaufen zu sein und dabei Laub und Äste zerwühlt zu haben. Beide waren entlassen worden, nachdem die Spurensicherung an ihrer Kleidung kein Blut festgestellt und man ihre Personalien aufgenommen hatte. Die Frau hatte die Polizisten außerdem wissen lassen, sich mit ihrem Freund an ihren Hausarzt wenden zu wollen, weil der Freund unter Schock stehe.
Tarek hatte sich etwas lustlos erboten, zur Wohnung des Toten zu fahren, und er war überrascht, als Sternenberg bat, ihn mitzunehmen. Es sei sicher reine Routinesache, hatte Tarek erklärt, aber Sternenberg folgte seinem Mitarbeiter zum Wagen, ohne von derartigen Abschüttelungsversuchen Notiz zu nehmen. Wahrscheinlich wollte er nach den Gesprächen mit Königin Beatrix und Wolfgang Lichtenberg einfach mal wieder einen handfesten Fall und das Gebäude verlassen.
Sie liefen über den Mehringplatz, der kreisrund von Wohnhäusern umbaut ist. Durch eine der Hausunterführungen des Komplexes hindurch gelangten sie in ein Nebengebäude. Neubau aus den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts, heruntergekommen. Die Restaurierungen waren an dem kaum einsehbaren Hausabschnitt offenbar vorbeigegangen.
» Brauchst du einen Fernseher, Chef? « fragte Tarek und deutete auf zwei Altgeräte mit implodierten Bildschirmen gleich neben der Briefkastenzeile.
» Erdgeschoss « , war Sternenbergs Antwort.
Tarek hatte den Schlüssel, der für das Haus und die Wohnung passte; mit dem ritzte er auch gleich das Siegel an der Eingangstür auf.
» Moment « , sagte Sternenberg. Er kramte in der linken, dann in der rechten Jackentasche. » Wo hab’ ich die Mistdinger? «
Tarek zog sich nach Chirurgen-Manier den zweiten Handschuh über und ließ die Finger in der Luft spielen. » Es gibt ein paar Dinge, die sollte ein Mann immer dabeihaben, Chef. « Er reichte ihm ein zweites Paar, hübsch eingeschweißt.
Es war stickig in der Wohnung, es roch jedoch nicht schlimmer als im Hausflur. In der Diele waren drei Bierkästen gestapelt, daneben standen Plastiktüten mit leeren Colaflaschen und ein Paar Schuhe.
Die Küche wirkte einfach, aber nicht verwahrlost. Im Kühlschrank lagen eine einzige Bierflasche, eine Flasche Billig-Aquavit und eine Packung eingeschweißter Scheibenkäse. Etwas unabgewaschenes Geschirr, zwei ältere Zeitungen, ein kleines Radio, eine Lotto-Quittung.
» Keine Haustiere « , registrierte Tarek.
» Und keine Frau « , stellte Sternenberg fest, der gleichzeitig ins Wohnschlafzimmer sah. » Jedenfalls keine, die hier irgendwie durch irgendwas sichtbar wäre. « An einer der Wände stand ein schmales, ungemachtes Bett, daneben eine halbvolle Bierflasche, dort lagen eine Fernbedienung und ein Pornoheft. Gegenüber befanden sich eine Schrankwand, die jemand zu lackieren versucht hatte, und ein Gummibaum mit getrockneter Erde. In den Regalen standen keine Fotos, die wenigen Porzellanschalen sahen geerbt und billig aus. In einer rosafarbenen Schale lagen zwei Mozartkugeln neben mehreren Blei- und Buntstiften.
Auf den Fensterbrettern gab es keine Pflanzen, die Gardinen schienen leicht angegilbt, nicht dreckig, mit einem Muster aus den Jahren des Baus der Wohnanlage. Über einem kleinen Tisch an der Wand hatte Gusewski zwei Poster mit Naturmalereien an die Tapete geheftet.
» Nicht gerade aufregend « , merkte Tarek an. » Ich gehe mal ins Bad, mehr Räume gibt’s ja hier nicht. «
Sternenberg öffnete ein paar Schubladen. Es sah nach dem üblichen Kram aus. Mit dem Entsorgen älterer Fernsehzeitschriften war der Tote augenscheinlich nicht so penibel, dazwischen verirrten sich ein Keilriemen, ein Bleianspitzer und einige Notizzettel und Rechnungen.
» Neben dem Klo steht ein Katzenklo « , rief Tarek, » aber es gibt keine Katze. Auch kein Futter und kein Katzenstreu oder so was. Wahrscheinlich hatte er eine Katze in Pflege. Wir könnten also die Nachbarn fragen, jemand muss ihn gekannt haben. «
Sternenberg studierte die Kritzeleien auf den Notizblättern. Adam Gusewski hatte
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