Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutige Spuren

Blutige Spuren

Titel: Blutige Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Liemann
Vom Netzwerk:
weiteren Manuskripten und wurde fündig. Alle Titel waren schlicht: » Der Baum « , » Die Weltwiese « , » Das Symbol « usw. Soweit sie verstand, waren es Einakter, sämtlich in den Achtzigerjahren entstanden. Man sah es auf den ersten Blick. Es war die Zeit, in der Texte noch nicht am Computer formatiert wurden, sondern wo sie so lange korrigiert und wieder kopiert wurden, bis sie fehlerfrei waren. Man wandte einige Mühe auf, Tippfehler auszuexen, zu übermalen oder mit einem Bleistift zu verbessern, vermied es aber, ein neues Blatt einzuspannen und den Text erneut abzuschreiben.
    Isabel suchte jetzt ganz gezielt sowohl nach neueren Seesand-Stücken als auch nach Büchern, die gezeigt hätten, dass der Mann auch etwas davon veröffentlicht hatte.
    Beim Suchen kam ihr eine Idee. Sie nahm sich jetzt verschiedene Manuskripte von ihm vor und blätterte jeweils die ersten, dann die letzten Seiten durch. Sie setzte sich auf die Bettkante und gab in ihren Laptop die übereinstimmenden Angaben ein, die Seesand über sich selbst gemacht hatte. Er hatte die Manuskripte also immerhin für eine Veröffentlichung vorgesehen. Wenn die kurzen Selbstportraits zuverlässig waren, dann hatte Sebastian Seesand nach seinem Umzug von Worms nach Berlin an der Freien Universität Psychologie studiert, dies allerdings nach einiger Zeit aufgegeben, um sich ganz dem Schreiben zu widmen. In späteren Texten sprach er von einem Magisterstudium » mit « Psychologie und Soziologie.
    Isabel legte die Schriftstücke übereinander und erwog, sie mitzunehmen, da nahm sie von ihrem Sitzplatz aus eine Vitrine mit Bildbänden wahr. Neugierig begab sie sich dorthin und öffnete beide Glastüren: Welche Linie ließ sich hier erkennen? Es gab Bücher über Schlösser der Loire, viele über neue Architektur, vor allem über Regierungsbauten; sie sah das neue Kanzleramt in Berlin und erkannte, dass das Motiv auf der vier mal vier Meter großen Fotoplatte, dieses moderne Fenster, den Rundbogenfenstern des deutschen Bundeskanzleramtes glich. Es gab Bildbände über indische Paläste und andere über Klöster des Mittelalters.
    Als Isabel schon glaubte, Gemeinsamkeiten der Themen zu ahnen, erblickte sie mindestens dreißig Bücher über Unterseeboote. In den meisten klemmten Lesezeichen. Sie steckten alle in Seiten, die das Innere von U-Booten zeigten. Darunter war sogar ein Band, in dem sich auf vielen Fotos eine Gruppe von Mädchen in Marine-Uniform, mehr oder weniger entblättert, im roten Licht des Kommandostandes räkelte. Auch in diesem Buch steckten die Lesezeichen zwischen Seiten, die das Schiffsinnere detailgetreu abbildeten.
    Isabel sichtete noch einmal die Titel der Seesand-Manuskripte. Über U-Boote war nichts dabei. Die U-Boot-Bände stammten vorwiegend aus den Neunzigerjahren, waren also neueren Datums als die Manuskripte.
    Ein Spion?, fragte sie sich. Jemand, der es auf die Kanzlerin abgesehen hatte? Und sich über den Bau von U-Booten informierte? Aber wohl nicht über öffentlich zugängliche Bücher.
    Ich verzettele mich, dachte Isabel. Ohne einen einzigen Hinweis auf ein Tatmotiv. Fraglos, der Typ ist interessant. Wovon hat er aber gelebt, wenn er als Autor keinen Erfolg hatte?
    Noch einmal ging sie zum dem Bett gegenüberliegenden Ende des Raumes und fand hinter einem Vorhang an der Wand eine Tür. Sie probierte die Schlüssel durch und hatte Erfolg. Die Tür führte ins Freie, auf eine Wendeltreppe, angebracht wohl aus feuerpolizeilichen Gründen. Dem vom Rost angefressenen Eisen der Stufen hätte Isabel jedoch nur im äußersten Notfall ihr Leben anvertraut. Rein prinzipiell ist eine Wohnung mit einem Hinterausgang praktisch, dachte sie. Jedenfalls bei Razzien. Es gab zwei Stockwerke unter diesem Loft und zwei darüber.
    Als sie die versteckte Tür wieder schloss, entdeckte sie ein Saxophon, das auf dem Boden lag. Der Typ kann unmöglich alle diese Instrumente gespielt haben … vielleicht war ja Bill Clinton ab und zu hier gewesen? Sie grinste über ihren Blödsinn und versuchte, sich durch Kopfschütteln wieder ins Lot zu bringen – bis sie im Regal über dem Saxophon einen Stapel von weiß-roten Tüchern registrierte, die ihr vom Stoff her nicht wie Tischdecken vorkamen. Sie nahm eines heraus, entfaltete es und hatte eine amerikanische Flagge in den Händen. Sie zählte vier, fünf, sechs Fahnen …
    Dieses Regal offenbarte ihr noch einige andere dazu passende Accessoires. Sie fand: eine silberne Metallstatue vom amerikanischen

Weitere Kostenlose Bücher