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Blutige Spuren

Blutige Spuren

Titel: Blutige Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Liemann
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hinreißend! Allein das Wort » hinreißend « hätte sie spöttisch lachen lassen. So begnügte er sich damit, den Marlowe zu mimen und sich cool an die nicht vorhandene Hutkrempe zu tippen, um mannesmutig die Türklinke seiner Bürotür zu drücken und sich dabei nach Isabels Beinen umzusehen – die sich gut verpackt in sehr neuen Jeans befanden.
    Beide Frauen standen jetzt, als Sternenberg in sein Büro kam. Die Jüngere streckte ihm ihre Hand so blitzartig entgegen, als sei sie bei einem Nahkampf. Zwischen ihrem T-Shirt und dem Bund der Hose klaffte eine zehn Zentimeter breite Lücke. So viel Haut wollte er bei einer Polizistin nicht sehen.
    Saskia, die ältere der beiden, funkelte ihn feindselig an, dachte gar nicht daran, ihm ihre Hand zu geben, und nachdem sie ihren Namen und ihren Rang ausgespuckt hatte, fügte sie hinzu: » Ich bin lesbisch. «
    Die andere nickte, wurde rot und verkündete: » Ich kann nicht besonders schnell laufen. War immer die Letzte. «
    Daraufhin sah Sternenberg die beiden Frauen eine Weile an. Anschließend schickte er die zwei – mit der Bemerkung, dass das Gespräch so eine Farce wäre – für eine Viertelstunde in die Cafeteria. Nach dieser Pause sollten sie einzeln wiederkommen. » Geben wir uns dreien noch eine Chance « , schickte er ihnen hinterher.
    Dieses sogenannte Personalgespräch hatte sich als Fiasko herausgestellt.
    Nun saß er vor den Personalakten. Kapiere endlich mal, dass man Personalgespräche nicht unvorbereitet führt!, dachte er. Aber das Blödeste wäre jetzt, in den Akten zu blättern. Er öffnete ein Fenster und spürte die Kälte, dachte über die beiden Frauen nach. Das Telefon klingelte, doch er ging nicht ran. Er schloss das Fenster, schob die Personalakten zur Seite und überlegte.
    Nach exakt einer Viertelstunde klopfte es. Saskia entschuldigte sich für ihr Verhalten. Zuerst wollte er abwiegeln, betonte dann aber ausdrücklich, dass er ihre Entschuldigung annähme. Auch er hätte sich nicht genug auf das Gespräch vorbereitet. Sie seien beide unvermittelt aufeinandergetroffen. Nun hätten sie eine halbe Stunde Zeit.
    » Ich bin auch nicht lesbisch « , klärte Saskia ihn auf.
    » Das interessiert mich nicht. Hier geht es schließlich nur um ein Dienstverhältnis. «
    » Trotzdem. Ich will nicht mit einer Lüge anfangen. «
    Sternenberg sah sie fragend an.
    » Sie werden gelesen haben « , sagte sie, » dass es … Geschichten gab, die mit meiner angeblichen … Homosexualität zu tun gehabt haben sollen. «
    Er äußerte sich nicht dazu, musterte sie nur weiterhin interessiert. Die Personalakten lagen auf dem Schreibtisch zwischen ihnen.
    » Na ja, ich bin versetzt worden, wegen dieses … Vorwurfs, damals. Im Dezernat waren ausschließlich Männer, jedenfalls im gehobenen Dienst. Das war ihre Methode, mich loszuwerden. Ich stand kurz davor, den Job an den Nagel zu hängen. Man hat mir eine Stelle im Osten gegeben. «
    » Und ging es da besser? «
    » Mobbing, Mobbing, Mobbing « , formulierte sie als Antwort und runzelte nachdenklich die Stirn.
    » So was ist extrem belastend. Das war dann schon die zweite Stelle, wo man Ihnen das Leben zur Hölle gemacht hat … «
    » Nein, nein, so war es nicht. Ich meinte: Ich war diejenige, die gemobbt hat. Ich war die Aktive. Ja, ja. Nach dem, was ich vorher erlebt hatte, fühlte ich mich tief verletzt. Ich wollte das auf keinen Fall ein zweites Mal durchmachen. Außerdem dachte ich, dass die mir im Osten sowieso nur was anhängen werden, gut geschult aus Stasi-Zeiten – und was man so für Phantasien mitbringt. Mit all meinen Vorbehalten habe ich rumgemobbt, damit nicht wieder ich das Opfer bin. Nach gerade mal einem Jahr haben sie mich auf die Überhangliste gesetzt und weggeschickt. Im Grunde mit meinem Einverständnis. Es war unmöglich … «
    Sie grinste und schüttelte den Kopf. » Als Überhangskraft bin ich dann ins Korruptionsdezernat gesteckt worden. Das war richtig gut dort. Die Arbeit hat mir Spaß gemacht, die Kollegen waren toll. Ich hatte gute Ergebnisse. So wie ich mir die Arbeit bei der Polizei immer vorgestellt habe. Das erste halbe Jahr wurde verlängert. Doch im Anschluss daran musste ich weg. Der Übergangseinsatz war auf ein Jahr befristet, die Personalstelle ließ nicht mit sich diskutieren. Sie haben mir irgendwas von Haushaltsmitteln erzählt und wie viel ich koste. Dabei kostet es natürlich das Gleiche, ob ich nun in dem einen oder in dem anderen Dezernat bin.«
    Sternenberg

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