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Blutige Spuren

Blutige Spuren

Titel: Blutige Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Liemann
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Kommunisten – und sogar Polizisten. «
    » Ja, das wundert mich am meisten. «
    » Ist aber nicht ungewöhnlicher als ein Informatikstudent oder eine Hausfrau. Jeder kann sozial engagiert sein. Und gleichzeitig hat jeder seine Überzeugungen und Prägungen. Wichtig ist nur, dass er sie am Telefon zurücknimmt, dass er weiß, was ihn geprägt hat und was ihm im Wege stehen könnte: Ich muss mich zum Beispiel fragen, ob es mir in einer Situation hilft, dass ich Polizist bin oder ob ich das ausblenden sollte. «
    Saskia grinste schelmisch, als ob er einen dreckigen Witz gemacht hätte. » Der harte Cop mit dem weichen Kern. Da stehen Weiber drauf. «
    » Und deshalb bist du Cop geworden, Saskia? «
    » Hm, kann schon sein. «
    Sie konnten sich noch eine Weile über Doppelrollen unterhalten, bevor das Essen kam. Es war genau so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Aus Respekt vor ihrer Gesprächspartnerin aßen sie aber beinahe alles auf.
    Sternenberg trank das Bier nicht einmal zur Hälfte. Der Grund war ein Gespinst aus Hefe, das im Glas schwebte, von dem man ihm jedoch versicherte, es sei ein Zeichen von Qualität. Außerdem hatte er es eilig. Es war ihm durchaus ernst mit der Idee, schnell mal nach Franken zu fahren und die Familie der Wirtin zu befragen, obwohl es auch ein Anruf getan hätte. Es war Wochenende, und ihm standen der dienstliche Auftritt in einer Fernseh-Talkshow sowie ein weiterer Nachtdienst bei der Telefonseelsorge bevor. Da würde es ihm guttun, vorher die Stadt zu verlassen, in die Natur zu fahren, einen kleinen Tapetenwechsel zu haben.
    Saskia lobte das Essen – Sternenberg bemerkte ihr Talent zur Schauspielerei. Und sie betonte, sie würden wiederkommen. Damit hatte sie recht, aber sie konnten noch nicht wissen, warum.

14
    Eine Kurve folgte der nächsten. Die Schlangenlinien forderten einen bedachtsamen Umgang mit Gas und Bremse. Ich bin noch zu schnell, dachte Sternenberg. Der Nach-Autobahn-Effekt.
    Schon zuvor, auf der A9 Richtung Bayreuth, hatte er sich mahnen müssen, nicht auf der linken Spur ICE zu spielen. Doch er hörte nicht auf sich selbst. Geschwindigkeit ist die einzige Sucht, der ich verfallen könnte. Zum Glück macht der Wagen bei 200 die Grätsche.
    Jetzt drängelte hinter ihm ein Kleinlaster, obwohl Sternenberg mit 90 in den rechten Winkel der Kurve ging. Die Sicht war in all den hintereinandergeketteten Kurven links von Felsen und rechts von Bäumen, vornehmlich Fichten, begrenzt.
    Endlich öffnete sich der Blick, die Landstraße führte durch einen Ort, den ein gelbes Schild als » Gemeinde Steinachtal « auswies. Beiderseits des Mittelgebirgstalkessels ging es unumwunden aufwärts, Sternenberg schätzte den Höhenunterschied zwischen Straße und Berghöhen auf 400 Meter. Zwischen die grünen, braunen und schneeflecken-weißen Wiesen waren Häuser und einzelne Bäume gestreut, wie auf einer Modelleisenbahnanlage.
    Beim Bahnhofskiosk fragte er nach der Steinachbaude, worauf die Verkäuferin ungefähr in den Himmel wies und ihm mit Zweifel in der Miene den Weg beschrieb.
    Als er von der Ortsstraße abbog, verstand er den Zweifel der Frau. Der bezog sich auf seine Berliner Fahrkünste. Es ging nämlich steil bergauf, und er musste sich einen Moment auf die Koordination von Gängen und Kupplung konzentrieren. Soweit er sich erinnerte, hatte sein Wagen noch keinen Gebirgstest hinter sich.
    In der Steinachbaude, einer einfachen Hotelpension, saß ein Rentnerpaar beim Kännchen Kaffee, hinter dem Tresen sortierte eine Frau mit Schürze die beiden einzigen Kuchenstücke in der Vitrine. Die Frau Bergbauer? Die sei im Keller. Ob er zu ihr hinuntergehen dürfe? Aber ja, wenn er unbedingt wolle. Er solle den Kopf einziehen.
    » Was wollen Sie? « , fragte die Frau.
    » Sternenberg. Aus Berlin. «
    Sie stand inmitten von Einweckgläsern, die sie aus Regalen und Schränken geräumt und auf dem Kellerboden zu stapeln begonnen hatte. Zuerst dachte Sternenberg an die alkoholgefüllten Sektions-Gläser, in denen man in der Pathologie allerlei biologische Gespenster sammelt. Stattdessen waren es hier Pflaumen, Beeren, Rotes und Oranges, die üblichen Früchte.
    » Zu wem wollen Sie? «
    » Wenn Sie Frau Bergbauer sind – zu Ihnen. «
    » Bin ich « , sagte sie und schob Gläser sinnlos hin und her.
    » Ihre Mutter betrieb in Berlin das Dreihirtenhaus, nicht wahr? Ich hörte, sie sei kürzlich verstorben. Das tut mir leid. «
    » Die Mutter war fast fünfundneunzig « , sagte die Frau und

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