Blutige Spuren
Tierhandel, unwürdige Transportmethoden und insbesondere über das Schicksal der sogenannten Tanzbären. Sie erfuhr, dass es ganz in der Nähe, an der Wassergasse, einen Verein gab, der sich um diese Dinge kümmerte.
In der Wassergasse wechselte Barbara ihren Beruf. Sie wurde Studentin der Betriebswirtschaft auf der Suche nach einem Praktikum. Zum Glück traf sie in der Vereinsstelle jemanden an. Das Büro bestand aus einem einzigen Raum, und der Mann, der sie begrüßte, wirkte nicht besonders begeistert.
Auch nach einem längeren Gespräch, und obwohl er mehrmals betonte, wie sehr er sich über ihr Engagement freue, ließ er sich nicht auf die Einrichtung einer Praktikantenstelle ein, selbst einer unbezahlten. Sie hätten schlechte Erfahrungen mit Praktikanten gemacht.
» Welche denn? « , wollte Barbara wissen.
» Ich will Ihnen nichts unterstellen « , sagte er, » aber wir hatten einen jungen Mann, der sich sehr schnell in die Materie eingearbeitet hat. Er koordinierte unsere internationalen Kontakte. Sie müssen wissen, es gibt viele kleine Vereine auf diesem Sektor. «
» Klingt doch gut. « Sie lächelte.
» Bis wir feststellten, dass er nur an die Informationen heranwollte. Er wusste nun, wo weltweit kontrolliert wird und in welchem Umfang. «
» Journalist? « , fragte sie.
» Wir vermuten, dass Tilo die Informationen an kriminelle Organisationen weitergegeben hat. Leider haben wir nicht rechtzeitig geschaltet, um ihm eine Falle zu stellen. Es war zu spät, als wir den Schaden entdeckten. Durch seine … Infiltrationen mussten wahrscheinlich mindestens zwanzig Bären weltweit dran glauben, und über ein halbes Jahr wurden Kontrollen in Bulgarien deutlich erschwert. «
» Tilo … Das ist lustig. So hieß doch einer der Bären drüben im Zwinger. «
» Richtig « , sagte der Mann. » Bei gutem Wetter geh’ ich gern in den Park und begrüße die Brummis. «
» Sie müssen doch eine Riesenwut auf diesen Herrn Tilo haben …
» Ulfson « , sagte der Mann, » Tilo Ulfson. Tilo war sein Vorname. «
» Und Sie haben nicht die Polizei eingeschaltet? «
Der Mann lachte höhnisch. » Was glauben Sie, was mir ein Berliner Polizist erzählt, wenn ich dem sage, ein Praktikant hat einem Bauern in Bulgarien erzählt, dass die EU bei ihm kontrollieren wird? «
Barbara zuckte die Achseln. Sie stimmte dann aber in sein mitleidiges Lächeln ein. » Und der ist auf und davon? Keine Spur hinterlassen? «
» Sie sind ja ganz schön neugierig, Mensch! Vielleicht könnte ich Sie doch gebrauchen. Nee, wir haben den nicht mehr gesehen. Jemand erzählte mir wohl irgendwann später, er hätte ihn auf einer Beerdigung erkannt, als Sargträger. Aber ehrlich gesagt: Wir blicken in die Zukunft. «
Sie hatte ihn gelobt und bedauert, nicht das Praktikum antreten zu können.
Danach brauchte sie zweieinhalb Stunden, um den Aufenthaltsort von Tilo Ulfson zu erkunden. Die Methoden, mit denen sie es schaffte, wären von ihrer Dienststelle nicht ohne weiteres gebilligt worden, aber sie waren erfolgreich.
Wie sie herausfand, arbeitete Ulfson tatsächlich in einem Bestattungsunternehmen, und zwar in Kreuzberg. Er hatte Fördergelder für eine Ich- AG beantragt und war mit dem Konzept » Fröhlicher sterben « erfolgreich gewesen.
Erfolgreich beim Abgreifen der Fördergelder. Sein Unternehmen war ein Laden, in dem bunt bemalte Särge standen, daneben ein Schreibtisch mit einer hübschen Praktikantin, die die Aufträge entgegennahm.
Barbara hatte das Geschäft gar nicht betreten müssen, sondern war gleich Ulfson gefolgt, der in die Lagerhalle ein paar Querstraßen weiter gegangen war, um sie kurz darauf wieder zu verlassen. In dieser Lagerhalle hockte sie jetzt.
Die Männer kamen wieder zurück und machten sich am Leichenwagen zu schaffen. Barbara beobachtete von ihrem Versteck aus, wie einer der beiden, es war Ulfson, einen Sarg aus dem Wagen herauszog, auf einem Gestell davonrollte, kurz darauf zurückbrachte und wieder in das Auto schob. Der Fahrer bedankte sich. Ulfson stieg bei ihm ein, und der Leichenwagen verließ die Halle.
Barbara blickte sich nun genauer in der Lagerhalle um und entdeckte eine große Holzkiste, die sich leicht öffnen ließ. Sie musste einen Schrei unterdrücken. Die Kiste war voller Schlangen. Nach dem ersten Schreck und einem ängstlichen Blick, ob jemand sie gehört hätte, entschloss sie sich, noch einmal hineinzuschauen. Hatte sie ihr erster Eindruck getrogen? Nein. Die Schlangen bewegten sich
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