Blutige Spuren
nahe zu kommen, machte sie ekeln.
Sie stieß die erste Tür auf, die mit einem Knall gegen die Holzwand schlug und wieder zurückfederte. Das wiederholte sie mit der zweiten Tür. Sie wusste nicht, was sie suchte. Der Verkäufer würde kaum in seiner Kabine sitzen. Einen besseren Platz zum Schlafen als diesen gab es allemal. Etwas Besseres als den Tod finden wir allemal, dachte sie plötzlich. Woher habe ich denn diese Zeile schon wieder? Wie komme ich denn immer auf solchen Blödsinn?
Sie wollte die dritte Tür aufstoßen, dort gab es jedoch einen Widerstand. Sie ging einen Schritt zurück, zog die Waffe, drehte sich sekundenschnell um und überprüfte, ob jemand hinter ihr war, dann drückte sie mit dem Ellbogen die Videokabine auf.
Der erste Blick galt dem Bildschirm. Er rauschte, und über ihn waren dicke Blutschlieren gezogen. Die Leiche des Mannes lag darunter, mit dem Kopf auf dem Sitz. Der Hals war mit schwarzen Lederriemen oder Peitschen umschnürt. Das Gesicht aufgedunsen und blau und grün geschlagen, soweit sie das unter all dem Blut und im Flackern des Bildschirmlichtes erkennen konnte.
Wolfgang Lichtenberg bot ihr eine Zigarette an, aber Isabel lehnte ab. Sie saßen an dem Verkaufstisch mit den Pornoheften, dort wo sie einen Tag zuvor den Verkäufer befragt hatten, der nun von dem adeligen Rechtsmediziner und seinem Team untersucht wurde.
Isabel war froh, dass Wolfgang selbst gekommen war und dass er sich dafür starkgemacht hatte, die Untersuchung der Leiche erheblich zu beschleunigen.
Von dem Baron, der wie immer im Einsatz einen weißen Overall trug, wusste sie wenig, eigentlich nichts. Der Mann ohne Eigenschaften, bis auf die eine: Er war ein zuverlässiger Arbeiter mit schnörkellosen Ergebnissen.
Er brauchte etwa eine halbe Stunde, dann kam er zum Bericht heraus. Ohne die üblichen Einschränkungen, zu denen sein Kollege Roth neigte – wie wahrscheinlich nahezu der ganze Berufsstand –, sagte er: » Der Tote wurde geschlagen und mit Riemen gewürgt. Vorderkörper und Nacken sind mit Hämatomen übersät, auch die Hände. Er muss sich gewehrt haben und hat dabei an die Wände geschlagen. Es gibt viele Würgespuren, und die finale Schlinge wurde kraftvoll gezogen, sodass wir auf einen dafür körperlich geeigneten Täter schließen können, der sein Opfer vorher gequält hat. Wie bei Folter. Der Tod ist vor etwa zwei Stunden eingetreten. Samenspuren aus diesem Zeitraum gibt es in der Kabine nicht. Fingerabdrücke auch nicht in der Kabine oder an den Lederriemen. Der Täter hat sich Latexhandschuhe hier aus dem Regal genommen. «
Lichtenberg blinzelte durch eine eben produzierte Rauchschwade, was bei ihm einer Frage gleichkam.
Der Rechtsmediziner sagte: » Die Handschuhe waren verpackt. Der Täter hat Handschuhe und Verpackung mitgenommen, bis auf einen kleinen Fetzen. Darauf haben wir Fingerabdrücke. Vom Täter. «
Die beiden Männer nickten sich zu, der Baron ging zurück zu seinen Leuten.
Isabel war vor allem beeindruckt von dem, was nicht stattfand. Es wurde nicht gefragt, wie sicher die Aussage war oder wie lange die eigentliche Obduktion dauern würde. Es wurde auch nicht gefragt, wieso klar war, dass die Fingerabdrücke auf dem Rest der Handschuhverpackung vom Täter stammen mussten. Isabel dachte an ihre Ausbildung, ließ es dann aber. Wenn etwas sie beeindruckte, dann war es Professionalität. Diese Selbstverständlichkeit, die man sich nicht anlernen kann, sondern die mit den Jahrzehnten kommt. Oder lag das an Typen wie Lichtenberg? Musste man anders gestrickt sein, um professionell zu werden wie Lichtenberg und sein Baron ohne Eigenschaften?
Zuerst hatte Barbara geglaubt, dass jemand hinter der Wand eine schwere Last schleppte. Dann hörte es sich für sie an, als bewege sich jemand auf dem Boden und trete dabei gegen Fässer oder Kästen.
In ihrem Kopf entstanden Bilder einer gefesselten Person, die am Boden lag, sich von den Fesseln befreien und nach Hilfe rufen wollte, geknebelt.
Trotzdem blieb sie vorsichtig und wollte die Tür nicht voreilig öffnen. Langsam gab sie ihre Hockposition zwischen den Särgen auf und tastete sich Richtung Tür vor.
Plötzlich gab es von der anderen Seite einen schweren Schlag gegen die Tür.
Stille. Sie rutschte zurück zwischen die Särge.
Die Tür flog auf. Jemand kam herein und ging einige Schritte an den Särgen entlang in die Richtung, in der zuvor der Leichenwagen gestanden hatte.
Barbara schaute hinüber und nahm beide Hände zu
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