Blutige Verfuehrung 2
verrückt und ich versuchte, etwas mehr Abstand zu bekommen, damit mehr als nur ein paar Zentimeter zwischen uns waren. Schließlich setzte ich mich an den runden Konferenztisch und rückte meinen Stuhl nahe an die Tischkante. Somit war mein Körper fast vollständig verdeckt. Orlando setzte sich mir gegenüber. Er sagte:
"Du bist ganz anders als Lucrezia, unsere gemeinsame Halbschwester. Aber wir haben ja alle verschiedene Mütter, das erklärt einiges." Ich versuchte ein interessiertes Gesicht zu machen, aber meine Gedanken beschäftigten sich mit nichts anderem als mit Orlandos Körper. Seine Hände lagen entspannt auf dem Tisch. Wenn man genau hinsah, konnte man unter den gepflegten Fingernägeln die Spitzen seiner Fänge erkennen. Es sah genau so aus wie bei mir. Nur dass seine Hände viel kräftiger und knochiger waren. An seinen langen Fingern entdeckte ich drei goldene Ringe. Einer davon hatte eine schwarze Perle, die mit Diamanten eingefasst war. Zwei weitere trugen dunkelrote Steine. Das erinnerte mich an den Ring, den wir im Burghof gefunden hatten. Doch ich verschwieg ihm unseren Fund. Vielleicht war er noch zu irgendetwas zu gebrauchen. Der kleinste Ring steckte an seinem linken Ringfinger. Es war ein rotgoldener Ring, der rundum Mondsteine trug. Er gefiel mir am besten. Orlando war mein Blick auf seine Hände nicht entgangen. Er streckte mir seine rechte Hand entgegen und sagte:
"Der Schmuck, der für dich bereitliegt, lässt meinen ziemlich blass aussehen." Ich blickte in seine leuchtenden Augen und erschrak. War das Neid, der aus ihnen sprach? Schnell sagte ich:
"Ich mache mir nichts aus Schmuck. Ich besitze nur eine schwarze Perlenkette, die ich von meiner Großmutter geerbt habe." Doch Orlando widersprach mir:
"Du wirst sehen, der Schmuck des Clans wird aus dir eine Königin machen." Vielleicht hatte er Recht, ich war jedenfalls von seinem Aussehen so beeindruckt, dass ich ihn ständig anstarrte.
Er brauchte keinen Schmuck, denn seine Haut war von einer Vollkommenheit, die der einer griechischen Statue sehr ähnlich war. Ich hatte in München manchmal die Glyptothek besucht, weil ich mich zwischen den wunderbaren Figuren so wohl fühlte. Orlando hätte einer dieser Götter sein können. Sein ebenmäßiges Gesicht mit der fein geschnittenen Nase und den kühn geschwungenen Augenbrauen erinnerte mich stark daran. Wenn die Museumswärter außer Sicht waren, strich ich manchmal über den kühlen glatten Marmor und am liebsten hätte ich jetzt auch Orlando mit meinen Fingerspitzen erkundet. Meine Fantasie ging mit mir durch. Ich stellte ihn mir auf einem großen Bett vor, wie ich mich über ihn beugte und seine unglaublich sinnlichen Lippen küsste. Ich wusste ja, dass er kalt war, aber die Vorstellung seinen Körper an meinem zu fühlen, versetzte mich in innere Aufruhr und Bereitschaft. Ich konnte mir kaum etwas Erotischeres vorstellen. Ich versuchte meinen Blick wieder durch den Raum wandern zu lassen und ihn nicht ständig anzustarren. Meine Arme hatte ich über der Brust verkreuzt, um meine Nervosität zu verstecken.
Plötzlich hörte ich Schritte hinter mir. Bevor ich mich auch nur umdrehen konnte, standen die Vampire bereits hinter den Stühlen des Konferenztisches. Keiner sagte ein Wort. Ich stand ebenfalls auf. Die Szene erinnerte mich an einen Film, den ich einmal gesehen hatte, und der mir fürchterliche Angst eingejagt hatte. Doch Orlando blinzelte mir freundlich zu. Es gab offensichtlich keinen Grund, Angst zu haben. Wie auf ein Kommando setzten sich alle bis auf mich.
Der Fürst Raimundo, mein Vater, war ebenfalls stehen geblieben und sah mich auffordernd an. Dann sagte er in die Runde:
"Wie ihr seht, ist sie zurückgekommen und früher als erwartet!" Und an mich gewandt:
"Liebe Lucia, ich freue mich, dich wieder zu sehen und bitte dich, Platz zu nehmen. Wir werden jetzt eine Clan-Konferenz abhalten, in der jeder seine Meinung offen sagen kann." Dann setzte er sich.
8. Der Clan
Alle Augen waren auf mich gerichtet. Ich war so gestresst, dass ich es nicht schaffte, die Anzahl der Personen zu zählen. Aber es waren viele. Ich hielt meine Hände noch unter dem Tisch, um mein Zittern zu verbergen. Meine Augen wanderten von einem Gesicht zum anderen. Außer meiner Mutter, die mir jetzt schräg gegenüber saß, waren alle Vampire hübsch um nicht zu sagen ausgesprochen schön. Doch kaum einer verzog eine Miene oder erwiderte gar meinen Blick.
Mein Vater, Fürst Raimundo,
Weitere Kostenlose Bücher