Blutige Verfuehrung 6
später."
Das Schloss war verlassen, als wir endlich durch die schwere Eichentüre in den Hof gingen. Die Vampire waren zu Jagd ausgeflogen und Silvio verabschiedete sich mit den Worten:
"Wenn die Damen mich jetzt entschuldigen, auch ich habe Bedürfnisse!" Er war wirklich gekränkt und ich antwortete ihm:
"Es tut uns wirklich leid, aber bei uns ist einfach alles schiefgegangen."
Lucrezia wollte sich in ihre Gemächer verdrücken, doch ich hielt sie fest:
"Ich will jetzt endlich wissen, was vorgefallen ist. Man hat unsere Namen und Adresse aufgeschrieben, deshalb wird auch der Fürst davon erfahren!" Lucrezias Blick war noch immer äußerst schuldbewusst. Sie setzte sich auf die Steintreppe und blickte niedergeschlagen zu mir auf.
"Ich habe ihn mehrmals gebissen und fast ausgesaugt.", sagte sie dann und begann leise zu weinen.
"Wie ist es denn dazu gekommen, dass du die Kontrolle verloren hast?" wollte ich wissen.
Lucrezia blickte beschämt zu Boden.
"Sie waren selbst schuld. Sie hatten mich gefesselt und sind dann über mich hergefallen wie die Tiere. Gleichzeitig! Der eine von vorne und der andere …" Lucrezia machte eine Pause und schniefte in ihren Ärmel. Dann sah sie wieder zu mir auf und ergänzte:
"Ich blute noch immer." Sie stand auf und zeigte auf ihren Rock, der ihr am Hintern klebte.
"Die Beiden waren so grob zu mir, dass ich mich irgendwann wehren musste."
"Und dann hast du zugebissen!", sagte ich,
"Das kann ich schon verstehen, aber ihn fast zu töten – war das wirklich nötig?"
"Ich hätte ihn getötet.", sagte Lucrezia leise,
"aber der andere hat es verhindert."
"Zum Glück, denn sonst wären wir jetzt im Gefängnis", sagte ich und betrachtete das zarte Wesen, das vor mir saß und noch immer zitterte. Es war kaum zu glauben, dass sie beinahe gemordet hätte. Niemand würde ihr das zutrauen. Doch Lucrezia war ein Vampir, wenn sie auch immer zum Opfer wurde – und sie würde immer ein Opfer bleiben, wenn sie nicht lernte, andere besser einzuschätzen. Trotz ihrer fast 200 Jahre war sie ein Mädchen geblieben mit Illusionen und falschen Vorstellungen. Sie war noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen und würde es vielleicht auch nie schaffen. Natürlich fühlte ich mich auch verantwortlich, für das was in dieser Nacht geschehen war. Ich hätte sie nicht allein lassen dürfen. Doch mein Trieb war wieder einmal stärker gewesen, als meine Vernunft. Es hatte keinen Sinn, ihr Vorwürfe zu machen, das würde sowieso der Fürst noch erledigen. Ich brachte das traurige Bündel zu ihren Gemächern und sagte:
"Wenn du Hilfe brauchst, kannst du bei mir klopfen." Doch Lucrezia verschwand wortlos im Dunkeln.
4. Teuflische Spiele
Meine Räume waren von den Bediensteten gesäubert und aufgeräumt worden. Das war für mich eine neue Erfahrung. Ich war plötzlich nicht mehr selbst zuständig für die Unordnung, die ich laufend produzierte.
Ich war nicht müde und nahm mein Handy aus der Tasche. Ich musste unbedingt mit Orlando sprechen, was in München bisher passiert war. Er war mir Rechenschaft schuldig. Ich wählte seine Nummer und als ich schon auflegen wollte, meldete er sich mit 'Lysander, hallo'. Im ersten Moment wollte ich wieder auflegen, aber dann fiel mir ein, dass das Orlandos zweiter Name war.
Ich sagte deshalb:
"Seit wann nennst du dich Lysander?" Er antwortete mit einer Gegenfrage:
"Bist du es Ferite?" Ich verstand dieses Versteckspiel nicht, aber Orlando war anscheinend auch nicht bereit, mich aufzuklären. Ich wollte nur wissen, ob er Nicholas schon überreden konnte, doch bevor ich eine Frage stellen konnte, sprudelte er los, dabei senkte er seine Stimme zu einem Flüstern:
"Ich habe gute Neuigkeiten, denn Mimi hat sich entschlossen, unsterblich zu werden. Ich habe sie von den Vorteilen überzeugt."
"Du sollst nicht Mimi, sondern Nicholas überzeugen", sagte ich entrüstet.
"Was soll das, Orlando?"
"Lysander", bitte, hier bin ich nur unter diesem Namen bekannt. Ich habe mich Mimi damals in dem Konzert als Lysander vorgestellt und dabei muss es bleiben, denn wenn Nicholas meinen 1. Vornamen hört, wird er sofort wissen, dass ich dein Bruder bin. Bisher hat er keinen Verdacht geschöpft."
"Du willst also Mimi zum Vampir machen und Nicholas soll ihrem Beispiel folgen?", fragte ich ziemlich ungläubig.
"Es wird funktionieren, das verspreche ich dir."
"Ich verlasse mich auf dich, denn für dich hängt dein Leben davon ab und wenn es schiefgeht, hast du den
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