Blutige Vergeltung
Tür hinter uns, und wir sicherten ein Zimmer nach dem anderen. Offensichtlich war das Haus durchsucht worden. Jemand hatte Schubladen aufgerissen, Kissen aufgeschlitzt und überall Papiere aufgewirbelt – und dann war da dieser grauenhafte, beißende Gestank. Vermischt mit dem Geruch nach Höllenbrut oder Trader, ein Hauch von süßlich-kranker Fäulnis.
„Hier sind Dämonen gewesen“, flüsterte ich.
Die Küche lag in Trümmern, überall lagen Pizzaschachteln und billiges Geschirr herum. Auch das Wohnzimmer war in seine Einzelteile zerlegt, das Esszimmer bildete keine Ausnahme. Bernie hatte offenbar eine Vorliebe für billige, wild zusammengewürfelte Junggesellen-Möbel. Aber der riesige und topmoderne Plasmafernseher an der Wand war neu, auch die Stereoanlage roch noch nach ihrer Verpackung. Über allem lagen die Ausdünstungen von roher Gewalt – sogar diese neuen Spielzeuge, die mit Blutgeld finanziert waren, hatte man kaputt geschlagen.
Könnte ein Kampf, aber genauso gut eine höllisch entschlossene Suchaktion gewesen sein. Leon gab mir Deckung, während ich einen Gang entlanglief. Wir überprüften das Bad und einen Raum, der völlig leer war, abgesehen von einem Fleck am Boden und silbernen Handschellen. Hier drin lieferte sich der Geruch von Sex einen Kampf mit dem übrigen Mief. Leon zog die Augenbrauen hoch, und ich zuckte mit den Schultern, lief weiter. Mit dem Fuß stieß ich leise eine Tür auf und erblickte die Quelle des Gestanks.
Alfred Bernardino, der ausgebreitet in seinem Bett lag und bereits voller Leichengas war. Er musste schon ein paar Tage lang tot sein. Man hatte ihm die Rippen bloßgelegt und aufgedrückt. Die Lungen waren sorgfältig freigelegt worden und nach einiger Zeit im Kontakt mit Sauerstoff geschrumpft. Man hatte ihm die Haut von den Beinen abgezogen und die Bauchdecke geöffnet. Zahllose Insekten tummelten sich in seinen Eingeweiden.
Wenn mir noch irgendeine Form von Würgreflex geblieben wäre, hätte mir das jetzt den Rest gegeben.
„Gott im Himmel“, hauchte Leon.
Undwiedereine verflixte Sackgasse! „Das ist doch Wahnsinn!“
Leon ging an mir vorbei, überprüfte den Schrank. Weder er noch ich steckten die Kanonen weg. Bernardinos Klamotten waren unordentlich von den Bügeln gerissen, die billigen weiß gestrichenen Schubladen aufgerissen und durchstöbert worden. Ich lehnte mich an die Wand, während das Silber in meinem Haar anfing, lieblich zu klimpern.
„Denkst du …“ Leon schaute mich an. „Was meinst du, wie lange er schon tot ist?“
Ich blickte zum Fenster. Hier drin war es erdrückend heiß, und das Schlafzimmerfenster stand einen Spaltbreit offen, das Fliegengitter war zerschnitten. Für Insekten war es ein Leichtes, einzudringen. Die Klimaanlage war ausgeschaltet, und auf einmal lief mir ein eiskalter Schauer des Entsetzens über den Rücken.
„Angesichts des offenen Fensters und des Neonschilds, auf dem steht ‚Krabbelviecher herzlich willkommen’? – Ein paar Tage, vielleicht eine Woche. Aber Irene hat seine Kreditkarte benutzt …“ Soweit wir wissen, hat also eine Traderin als Letzte diesen Mann lebend gesehen. Schon merkwürdig.
„… vor vier Tagen“, schloss Leon.
Hinter dieser Sache scheint mehr zu stecken, als man auf Anhieb sehen kann. Die Rädchen in meinem Hirn fingen an zu arbeiten, ratterten, gerieten ins Stocken. „Es könnte einen Zusammenhang mit dem Tod der Witwe geben. Irgendjemand tötet Polizisten, um etwas zu vertuschen. Jacintas Rechnungsbücher sind verschwunden. Bernie verliert die Nerven …“ Ich seufzte, blinzelte dann und schloss mein dummes Auge. Das kluge, das blaue, zeigte mir derweilen ein Zimmer, dessen ätherische Aura völlig verschmutzt war von gewaltsamem Tod und Verzweiflung. Aber ich entdeckte nichts, was mich auf eine Fährte gebracht hätte, keinen roten Faden, der das ganze Chaos hätte entwirren können.
Leon seufzte tief, was er vermutlich sofort bereute, weil er dafür diese grauenhafte Luft einatmen musste. „Jemand hat das ganze Haus auseinandergenommen. Das gefällt mir nicht -warum ist es noch niemandem aufgefallen? Warum hat keiner nach dem Rechten gesehen? Er ist schließlich ein Cop.“
„Ein Cop, dessen Partner tot ist. Wenn es nicht Polizisten wären, die mich umnieten wollen, dann könnte ich einfach in der Wache anrufen und herausfinden, ob er beurlaubt war oder so. Andererseits, wenn das hier el pendejo gordo ist, von dem die Kerle im Barrio gesprochen haben, dann kann
Weitere Kostenlose Bücher