Blutiger Engel: Thriller (Ein Alice-Quentin-Thriller) (German Edition)
Mitglieder des Volks doch sicherlich davon, sie mit einem Maschinengewehr niederzumähen.
»Diese Kerle sind einfach nicht meine Kragenweite«, raunte Burns mir mürrisch zu.
»Entspannen Sie sich, Don. Sie sollen sich schließlich nur ein bisschen umsehen, weiter nichts.«
Die Inneneinrichtung des Clubs war noch prachtvoller als die Fassade. Die Wände des Foyers waren mit Porträts ordenbehangener, verstorbener Mitglieder geschmückt, und die weiblichen Gäste stellten die Familienerbstücke zur Schau. Burns starrte auf das Mädchen neben mir, das mit seinem dicken Panzer aus Smaragden wie eine Schildkröte aussah.
»Es ist unhöflich, die Leute anzustarren«, wisperte ich. »Lassen Sie uns getrennte Wege gehen. Auf die Art sehen wir mehr.«
Sofort verschwand er im Gedränge, und ich blieb alleine mitten im Foyer zurück. Einen Moment später segelte ein Ober mit einem Tablett voller Champagnergläser dicht an mir vorbei, und ich schnappte mir ein Glas. Burns’ Schüchternheit hatte anscheinend auf mich abgefärbt, denn ich hatte vorgehabt, nur Wasser und Orangensaft zu trinken, kippte aber jetzt den Alkohol mit einem großen Schluck in mich hinein.
»Immer mit der Ruhe, junge Dame, sonst schlafen Sie bei den Reden nachher ein.«
Der Mann, der plötzlich vor mir stand und auf mich herunterblickte, hatte ein schmales, ausdrucksvolles Gesicht. Er war etwas zu groß, mit lockigem kastanienbraunem Haar und straff über den Jochbeinen gespannter, sommersprossenübersäter Haut. Sein breites, offenes Lächeln – das seinen linken, etwas vorstehenden Eckzahn freilegte – verstärkte den sympathischen Gesamteindruck, und auch seine Art zu sprechen – freundlich amüsiert und etwas nuschelig, als hätte er den Mund voller Murmeln – nahm mich sofort für ihn ein.
»Waren Sie vorher schon mal im Albie’s?«, fragte er.
»Nein.«
»Andrew Piernan.« Er reichte mir eine schmale, langgliedrige Hand. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Lächelnd neigte er den Kopf und flüsterte mir zu: »Keine Angst, die Leute hier sind völlig harmlos, und vor allem ist keine von den anderen Frauen auch nur annähernd so hübsch wie Sie.«
Piernan stellte sich als unglaubliche Tratschtante heraus. Zu beinahe jedem Gast wusste er was zu sagen. »Dieser Typ da drüben hat sein Geld mit Frachtschiffen gemacht und ist mit seiner zukünftigen zweiten Gattin hier.« Er nickte in Richtung eines buckligen, älteren Herrn. »Reich wie Krösus und, wenn die Gerüchte stimmen, ein totaler Fußfetischist. Wenn er Ihre Schuhgröße erfragt, haben Sie Glück.«
Unweigerlich musste ich kichern, und er setzte die Unterhaltung fort, als wäre es sein Job, dafür zu sorgen, dass es mir auf diesem Fest gefiel. Immer wieder sah er mich aus seinen braunen Augen an, als wolle er sich vergewissern, dass mein Lächeln nicht verflogen war. Sein Alter war nicht leicht zu schätzen. Mit den Locken sah er wie ein kleiner Junge aus, aber sein Mund war links und rechts von tiefen Falten eingerahmt. Er konnte also dreißig, aber durchaus auch schon Mitte vierzig sein.
Ich erblickte einen Mann, der am anderen Ende des Raums von Gast zu Gast lief und den Männern auf die Rücken klopfte, während er mit allen Frauen, auf die er traf, zu flirten schien. Er war einer dieser Männer wie George Clooney und Clint Eastwood, die sich nicht an die gängigen Regeln hielten, und obwohl er sicherlich schon über sechzig war, sahen ihm alle Frauen seines guten Aussehens und seines Selbstbewusstseins wegen hinterher. Er hatte gesundes, seidig weiches, graues Haar und die wettergegerbte Bräune, die von unzähligen Urlauben in tropischen Gefilden sprach.
»Wer ist das?«, erkundigte ich mich.
»Max Kingsmith, Präsident der Angel Bank und ewig jung. Auch wenn Sie es vielleicht nicht glauben, ist er gerade frischgebackener Vater.« Piernan stand mir nah genug, dass ich jede einzelne Sommersprosse sah.
»Wie kann sich eine Bank als engelhaft bezeichnen?«, fragte ich.
»Sie wurde von einer Quäkerfamilie gegründet. Sie haben mit den Gewinnen die Armen unterstützt.«
»Und jetzt schmeißen Leute wie Sie das Geld für Lamborghinis raus.«
»So jung und schon so zynisch.« Sein Lächeln dehnte sich noch etwas aus. »Aber geben Sie bitte nicht mir die Schuld. Weil ich nämlich ein Schwindler und kein Geldverleiher bin.«
»Und wen beschwindeln Sie?«
Er winkte in Richtung der Menge. »Hauptsächlich diese Leute hier. Ich habe ihnen im Verlauf der Jahre
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