BLUTIGER FANG (German Edition)
Geruch des Fleisches noch so viele andere Düfte in der Luft lagen.
Die Großkatze ging weiter auf das Fleisch zu. Ihre Größe erfuhr vor dem Hintergrund der Möbel, die auf Menschen zugeschnitten waren, einen beklemmenden Vergleichsmaßstab.
Plötzlich hörte der Pascha eine ihm bekannte Stimme, die aus dem Inneren des Käfigs kam. Er erkannte am Klang der Stimme seinen Pfleger.
Dann vernahm sein feines Gehör Schritte, die allmählich lauter wurden.
Tony hatte inzwischen die Arbeit im Käfig getan. Er hörte mit den Selbstgesprächen auf und packte die Arbeitsutensilien zusammen. Dabei dachte er an seine Frau und langte energisch nach dem Putzzeug. Mit den Sachen unterm Arm ging er zur Tür des Pflegerraums. Dort angekommen, entriegelte er sie und schob sie etwas auf. Er stellte den Besen und den Wischer innen gleich neben der Tür an die Wand, ohne den Raum zu betreten, und ging in den Käfig zurück, um Eimer und weitere Putzmittelflaschen zu holen. Dann trottete er in den Pflegerraum.
Die Löwinnen, die sich draußen an der Schieberluke aufhielten, fuhren erschrocken zusammen. Denn schlagartig erhob sich aus dem Inneren des Hauses ein entsetzliches Gebrüll und schrilles menschliches Geschrei. Ein gellender Schrei, der sich extrem in die Länge und in die Höhe zog. Die Löwinnen hörten auch das Geräusch umfallender Möbel und irgendwelcher Gegenstände.
Dann war es plötzlich still.
Kein Gebrüll, keine Schreie und keine polternden Möbel mehr.
Die beiden Großkatzen verharrten ratlos, denn das Einzige, was sie hatten identifizieren können, war das aufflammende Gebrüll des Paschas, dessen Bedeutung sie verstanden. Ebenso kannten sie die Bedeutung der Intonation des Hilfeschreis, der noch in einen Todeslaut übergehen konnte, bevor er endgültig verstummte.
Dann krachte die Tür nach außen auf. Der Pascha kam rückwärts und sehr schnell aus dem Haus. Die Tür wurde dabei so weit und gewaltig aufgestoßen, dass sie mit einem lauten Knall gegen die Außenwand schlug.
Die Löwinnen beäugten den Pascha und sahen auch den Pfleger, der aus dem Pflegerhaus geschleppt wurde. Wobei Schleppen kaum der richtige Ausdruck war. Denn mit der Leichtigkeit, mit der eine Hauskatze einen Hering fortträgt, zog der Pascha Tony durch die Tür ins Gehege. Zum Glück blieb es dem Toten erspart, noch zu spüren, mit welcher Heftigkeit sein Schädel gegen den Türrahmen stieß. Ein dumpfes Knacken zeigte an, dass im Moment sein Genick gebrochen wurde.
Jetzt stürmten die Löwinnen heran und wollten ebenfalls über den Leichnam herfallen, doch der Pascha scheuchte sie böse knurrend und prankenausschlagend weg.
Der Löwe zog Tony noch ein gutes Stück in das Gehege hinaus und ließ ihn plötzlich zwischen ein paar Baumstämmen liegen.
Die Löwinnen kamen doch noch einmal heran. Neugierig beschnupperten sie Tony, ließen ihn aber ebenfalls unberührt.
Obwohl ein frisch geschlagener Menschenkörper vor ihnen lag, rührten sie ihn trotz des Hungers nicht an. Auch den Innenraum des Pflegerhauses, in dem das Fleisch lag, betraten sie nicht. Sie schienen verwundert zu sein. Diese Lage, diese Situation kannten sie nicht. Unweit der Leiche legten sie sich einfach hin, als wäre nichts geschehen. Einmal erhob sich eine Löwin und leckte etwas von dem Blut auf, das aus den Kopfwunden Tonys lief. Aber sonst schien der Pfleger für sie nicht mehr zu existieren.
Die Löwen kauerten im Gehege, allein, unbeaufsichtigt und mit allen Möglichkeiten, die dies bot.
Sie wirkten unruhig.
Lange würden sie wohl nicht mehr in dieser Position verbleiben.
Kurz nach 21 Uhr.
Joel hatte acht Bewegungsmelder durch Neujustierung außer Gefecht gesetzt. Er schaute von Zeit zu Zeit in der Verminungsskizze nach, wie er sie nannte, und gab dann die Richtung vor. Sie waren bereits dabei, auch die Melder umzujustieren, die kaum sichtbar in den Ecken und an den Wänden angebracht waren.
Die Lichtverhältnisse machten die Suche nach den unauffälligen Gehäusen nicht gerade einfacher.
„Leute, ich halt’s nicht mehr aus. Kann ich denn nicht endlich den Thermoanzug ausziehen?“, sagte Linda zwar leise, aber bestimmt.
Joel blickte zu Bronco und Frank.
Die sahen kurz einander an und dann zu ihm.
In ihren Augen las Joel, dass er die Entscheidung darüber treffen sollte. „Den Anzug ziehst du auf keinen Fall aus“, sagte er im Flüsterton, denn sie standen in einer Zone, wo es noch scharfe Melder gab. „Aber wenn du
Weitere Kostenlose Bücher