BLUTIGER FANG (German Edition)
versprichst, vorsichtig zu sein, kannst du von mir aus die Plastiktüte vom Kopf nehmen, das wird dich abkühlen.“
Linda zögerte keinen Augenblick. Sie zog sich die Tüte vom Kopf, und die Konturen ihres schönen Gesichts zeichneten sich durch den Strumpf hindurch ab. Befreit atmete sie durch.
Linda musste nun in einer Entfernung warten, bis Joel den jeweils nächsten Melder entschärft hatte. Sie hätte sonst der verminderten Tarnung wegen womöglich Alarm ausgelöst. Sie blieb auf der Stelle zurück und sah den anderen nach, die sich weiterbewegten.
Unruhig schweifte ihr Blick in der näheren Umgebung umher.
Plötzlich glaubte sie, eins der Geräte ganz in der Nähe ihres Standortes zu sehen. Gedankenlos setzte sie sich in Bewegung und näherte sich dem Ding an, das tatsächlich ein Melder war und wie ein Gecko an der Wand hing.
„Hier hängt auch einer!“
Die Jungen wandten ruckartig die Köpfe und schienen erschrocken zu sein. Sie sah, wie Joel von der Leiter stieg, und auch Bronco und Frank zurückkamen.
„Bist du wahnsinnig?“, sagte Joel. „Wie kannst du dich mit halber Kopfbedeckung einem aktiven Melder nähern? Verdammte Kacke, wenn es der ist, den ich meine, dann war’s das.“ Er schlug hektisch blätternd eine Seite der Verminungsskizze auf und fuhr mit dem Finger darin herum.
„Was soll das heißen?“, sagte Bronco. Seine Stimme klang so, als hätte er gespitzte Lippen.
„Los, wir müssen uns verstecken“, sagte Joel und hob wie zum Zeichen die rechte Hand, die zum Fahrstuhl deutete.
Kaum hatten sie sich in Bewegung gesetzt, fiel auch schon ein heller Lichtstrahl in das Erdgeschoss.
Wie die Furien rannten sie zum Fahrstuhl, der zum Glück auf dieser Seite war.
Dort angekommen, zögerte Joel, anstatt gleich die Chipkarte durchzuziehen und den Fahrstuhl zu öffnen. Er spürte, wie Bronco, Linda und Frank ungeduldig warteten. „Und was machen wir, wenn der Lift nach unten geholt wird, wo vielleicht schon die Bullen warten?“
„Verdammt, nein! Wir bleiben hier und verstecken uns irgendwo! Los!“ Er deutete mit der Hand in eine Richtung.
Daraufhin verschwanden sie zwischen den Kleiderständern der Damenabteilung. Joel wollte kein Risiko eingehen. Da nicht herauszufinden war, ob Linda den Melder nun ausgelöst hatte oder nicht, hielt er es für besser, ein paar Minuten abzuwarten und dann weiterzusehen. Ihr Vorteil war ja, dass ihnen bewusst war, dass sie Alarm hätten auslösen können. So waren sie vorgewarnt. Kämen die Bullen und drängten über das Erdgeschoss ins Haus, hätten sie noch genügend Zeit, über den Fahrstuhl in die Tiefgarage zu fliehen und dann abzuhauen – falls dort dann keine Bullen wären. Kamen sie indessen von unten, könnten sie hier über den Hauptausgang fliehen. Das hoffte Joel jedenfalls. Verdammt, hoffentlich kamen sie nicht von allen Seiten!
Noch einmal fiel ein weißer Lichtstrahl in das Erdgeschoss.
Auch hörten sie ein dröhnendes Motorengeräusch.
Beides verschwand genauso schnell, wie es gekommen war.
Joel wusste, dass die Zeit für das Anrücken der Wachen bisher noch zu kurz gewesen war. Denn seit sie den Fehler von Linda bemerkt hatten, die sich gerade die Plastiktüte über den Kopf zog, waren höchstens zwei bis drei Minuten vergangen. Joel rechnete damit, dass die Wachen mindestens sechs bis sieben, wenn nicht zehn Minuten brauchen würden, um hier zu sein.
Und so harrten sie zwischen den Kleiderstangen der Damenabteilung in der Nähe des Aufzugs aus und warteten ab, ob der Einbruch gleich zu Ende sein würde oder ob sie wie geplant weitermachen könnten. Jetzt, kurz nach 21 Uhr, stand das noch nicht fest. Und jede weitere Minute, die sie regungslos warteten, zog sich noch zäher in die Länge.
Plötzlich brach ein schneeweißer Lichtstrahl durch die gläserne Front des Haupteingangs – und es war zweifelsfrei das Licht eines Scheinwerfers …
Inzwischen liefen die Löwen im Gehege umher. Der Hunger, die Dunkelheit, die angenehme Kühle des Spätsommerabends sowie die für sie ungewöhnliche Tageszeit, zu der sie noch draußen waren, bedingten eine größere Bewegungslust, als sie sonst bei ihnen zu sehen war.
Gemessen an der Größe des gesamten Tierparks war das Löwenfreigehege relativ ausgedehnt. Dank einer künstlichen Hügelaufschüttung, extra hingelegter Baumstämme, Laufschneisen und Felssteine wirkte es zudem wild und undurchdringlich.
Die Löwen näherten sich gerade dem
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