BLUTIGER FANG (German Edition)
Lebensmittelabteilung, an der sie gerade vorübergingen, schimmerte trübes Licht, das von den Kühlregalen ausging, die leise und gleichmäßig summten. Davor standen die Regale der ungekühlten Waren und verdeckten die Kühlregale größtenteils, durch die sie einen scherenschnittartigen Umriss bekamen. Ganz ähnlich würde dies wohl auch in den anderen Abteilungen sein. Versuchte man, Gegenstände zu identifizieren, vor allem im Bekleidungsbereich, dann würde man nicht immer gleich wissen: Stand da jemand oder war das nur eine Puppe oder noch etwas anderes? Das Ambiente war wie geschaffen, den optischen Sinn zu täuschen. Es verzauberte die Umgebung in einen gespenstischen Wald aus zumeist eckigen Formen, was Joel einen Schauer über den Rücken jagte.
Sie gingen noch ein Stück weiter.
„Jetzt rechts rum“, sagte Joel.
Kurz darauf sahen sie den Büroeingang des technischen Pförtners.
Als sie vor der Tür standen, sagte Joel: „Leuchte mir mal, Frank.“
Frank knipste die Taschenlampe an.
Joel suchte in der Tasche den Schlüsselbund und holte eine Reihe Chipkarten heraus. Er las in Ruhe die Aufschriften der Karten. Denn er hatte auch welche für das Büro der Wachleute im 1. Stock und eine für das Sekretariat, an welches das Büro des Kaufhauschefs anschloss. Dort war ein Safe, den sie ebenfalls knacken wollten.
„Aha“, sagte Joel. Dann schob er eine der Karten in den Einsteckleser und steckte sie wieder ein. Mit einem der Schlüssel öffnete er die Tür zum Büro.
„Ich fass es nicht“, sagte Bronco, dem es wohl wunderlich erschien, dass sie so völlig ohne Widerstand in das Büro eindringen konnten.
Frank schloss die Tür hinter ihnen und Joel machte Licht.
Nun zogen sich auch die Jungen die Plastiktüten und – im Gleichklang mit Linda – die Strümpfe vom Kopf.
Das Büro beeindruckte sie. Vor ihnen lag ein großer, fensterloser Raum, der über und über vollgestellt war mit Computern, technischen Geräten, Schränken, Regalen, zwei Tischen und ein paar Stühlen.
An der Wand zur Linken stand eine Tischplatte, auf der ein Mischpult lag mit Knöpfen, Schaltern und Schiebereglern. Darüber waren auf einem Wandregal Monitore abgestellt und dort, wo die Wände frei waren, hingen Feuerwehr- und Fluchtpläne, Begehungsskizzen und allerlei technisches Zubehör. Daneben gab es Schaltpläne, Dienstpläne sowie verschiedene Schlüsseldepots. Auf einem davon stand Feuerwehr .
„Das ist die Schaltzentrale. Sozusagen das Gehirn der ganzen Sicherheitstechnik“, sagte Joel und wies zur Wand, wo das Pult stand.
Wie er an verschiedenen Leuchten sehen konnte, war das Pult aktiv, womit er auch gerechnet hatte. An den Wänden hingen, zum Teil bis in Kniehöhe hinab, Schränke, in denen er weitere Elektronik vermutete. Unter den Schränken waren verschiedene Einbruchmeldezentralen aufgestellt.
„Eine von denen ist zuständig für die Schmuckvitrinen – da verwett’ ich meinen Einsatz“, sagte Joel. „Wenn wir an den Schmuck wollen, müssen wir erst mal die bearbeiten.“
Dann fiel sein Blick auf die beiden VHS-Langzeitrekorder, die neben zwei Multiplexern standen, in die die Verkabelung der Videokameras lief. „Jetzt bin ich aber gespannt.“ Joel ging zu den Geräten.
„Was hast du vor?“, sagte Bronco. Seine Stimme klang nervös.
Joel spulte beide Rekorder zurück und sah ihn stumm an. Es schien, als habe Bronco einen leichten Schlag versetzt bekommen, seit er in diesen Raum getreten war. Ihm wurde anscheinend das Ausmaß der Sicherheitsvorkehrungen nun erst klar. Und es schien auch, als steige in ihm erst jetzt richtig hoch, was er da heute Abend eigentlich machte. Er hielt sich illegal in der Sicherheitszentrale eines Kaufhauses auf, in der Absicht, die Alarmanlage zu entschärfen, und das schien ihm gruselig aufzustoßen. Bisher war das alles nur ein künstlicher Thrill gewesen, aber der Anblick der Sicherheitseinrichtungen machte ihm augenscheinlich bewusst: Jetzt war er auch ein Einbrecher.
„Einer ist für die Außenhaut, der andere vermutlich für die Kameras hier drin“, sagte Joel. Er drückte auf Play , und auf einem der Monitore zeigte sich ein Bild. Am unteren Rand stand das Datum – das von heute – und die Uhrzeit – die von vor etwa einer halben Stunde.
Und tatsächlich: Ihr Eindringen in die Tiefgarage war gefilmt worden!
„Ich fass es nicht – ja leck mich doch am Arsch!“, rief Bronco aus. „Was hat das zu bedeuten?“
Joel
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