Blutiger Freitag
dir immer gesagt, du sollst dich mit diesen beiden Typen nicht einlassen.“
„Wir kennen uns seit der dritten Klasse.“
„Das ist egal. Sie machen nur Ärger.“
„Ich muss herausfinden, ob mit ihnen alles in Ordnung ist“, sagte Dixon. „Kann ich mir kurz dein Handy borgen?“
Der Junge wirkte so verstört, dass Henry ihm sein Smartphone reichte, ohne zu zögern. Seine eigenen Anrufe wollte er lieber von einer öffentlichen Telefonzelle aus machen, sodass man sie nicht so leicht zurückverfolgen konnte. Er war ganz sicher nicht daran interessiert, die Telefonate auf seiner monatlichen Abrechnung wiederzufinden.
Mit zitternden Fingern wählte er die zweite Nummer, ohne auch nur auf das zerknitterte Stück Papier sehen zu müssen. So ein verdammter Mist! Als ob der erste Anruf nicht schon schlimm genug gewesen wäre.
„Hallo?“
„Allan, hier ist Henry. Wir müssen uns treffen.“
„Warum das?“
„Wir sollten uns die Sache noch mal überlegen.“
„Noch mal überlegen?“
„Ja. Wir müssen die Aktion stoppen.“
Henry erwartete Ärger. Darauf war er vorbereitet. Womit er nicht gerechnet hatte, war Gelächter.
Er hielt den Hörer vom Ohr weg und schloss die Augen, während er die Kiefer so fest zusammenpresste, dass die Muskeln schmerzten – eine automatische Reaktion aus seiner Zeit als Boxer, wenn er sich gegen eine harte Linke wappnete. Das hier war schlimmer als irgendein Schwinger. Als das Lachen verstummte, drückte er sich den Hörer wieder ans Ohr.
„Es kann nichts mehr gestoppt werden. Geh nach Hause, Henry. Schlaf dich aus.“
Das Freizeichen summte in Henrys Ohr, bevor er darauf noch irgendetwas erwidern konnte.
23. KAPITEL
Es dämmerte bereits, als die Autokolonne an der ersten Polizeisperre vor dem Einkaufszentrum hielt. Maggie hatte auf der Fahrt vom Flughafen hierher den atemberaubenden Sonnenuntergang bewundert. Inzwischen waren am sternklaren Himmel nur noch ein paar rosafarbene Streifen zu sehen. Das einzige Überbleibsel des Sturms war der glitzernde Schnee, der alles um sie herum bedeckte. Das und die Kälte. Eine solche Eiseskälte, dass man die Atemwölkchen sah, als sie alle zur Begrüßung kurz aus den Wagen stiegen.
„Sieht aus, als wären sämtliche Pressegeier schon eingetroffen“, bemerkte Kunze, als sie weiterfuhren und die endlose Reihe von Übertragungswagen passierten. Ein Hubschrauber kreiste über ihnen.
„Das ist der normale Ablauf“, erklärte Senator Foster, während er einen Blick nach draußen zu den Reportern und Kameraleuten warf, die ihre Ausrüstung so nah wie möglich am Ort des Geschehens aufbauten.
Maggie beobachtete, wie der Senator seine Krawatte zurechtrückte und sein Spiegelbild im Wagenfenster überprüfte. Zuerst dachte sie, sie hätte sich geirrt. Vielleicht war das eine unbewusste Geste gewesen. Doch dann strich er sich über das silbrige Haar. Sie sah zu Wurth und erwartete, dass er belustigt die Augen verdrehte. Doch stattdessen tat er gerade genau dasselbe.
„Das hier wird sicher nicht nett“, warnte Kunze. „Ich war am Tatort in Oklahoma City. Nichts riecht schlimmer als verkohlte Leichen, das kann ich Ihnen sagen.“ Er zog seine kleine Dose mit Tigerbalsam hervor, schraubte den Verschluss auf und bot die Dose den anderen an.
Maggie lehnte ab. Sie kannte den Geruch nach versengtem Fleisch.
„Ich dachte, aufgedunsene Leichen würden noch schlimmer riechen“, sagte Wurth und nahm eine Fingerspitze Tigerbalsam, den er sich sorgfältig unter die Nase schmierte.
Auch diesen Geruch hatte sie schon kennengelernt. Maggie wusste, dass Wurth seine Erfahrungen mit den Opfern des Hurrikans gemacht hatte. Ihre Bekanntschaft mit aufgedunsenen Leichen stammte von Mordfällen, bei denen der Killer hoffte, die Leichen würden in einem Wassergrab möglichst schnell verwesen und unkenntlich gemacht werden.
Senator Foster zögerte, während Kunze eine großzügig bemessene Portion Tigerbalsam auf seiner Oberlippe und dazu noch etwas in den Nasenlöchern verteilte.
„Ich möchte wirklich nicht im Weg rumstehen und die Leute bei der Arbeit behindern“, sagte der Senator schließlich. „Meine Anwesenheit hier soll nur zeigen, dass alle Beteiligten meine Unterstützung haben.“
Kunze und Wurth nickten. Maggie hielt sich zurück, auch wenn sie am liebsten geantwortet hätte: „Sicher, warum sollte man die Gelegenheit zu einer gratis Wahlwerbung nicht nutzen, ohne sich dabei näher mit der Realität zu beschäftigen?“ Sie sah
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