Blutiger Freitag
mehr an irgendwelchen Hinterausgängen herum, okay?“, sagte Frank. „Im Moment sind alle hier ein bisschen nervös. Falls du verstehst, was ich meine.“
Er drückte auf einen Knopf. Der Schlagstock entpuppte sich als eine Stabtaschenlampe. Dann drehte sich Frank, der Narbenmann, um, ein langer Lichtstrahl vor ihm ließ ihn jetzt nur noch als Schatten erscheinen.
Patrick atmete ein paarmal die kalte Luft ein. Paranoid. Er war einfach zu paranoid. Er ging wieder zurück ins Hotel.
Rebecca musste irgendwo da drinnen sein.
35. KAPITEL
Maggie achtete nicht auf den Schmerz in ihrem Rücken. Sie musste sich bei ihrem Sturz auf die Kühlerhaube an irgendetwas Spitzem gestoßen haben. Nachdem sie blitzschnell die riesigen Handschuhe abgestreift hatte, wollte sie schon den Reißverschluss ihrer Jacke öffnen und ihre Smith & Wesson ziehen. Aber das hätte sie zu sehr aufgehalten. Der Junge war nicht bewaffnet. Sie würde die Pistole nicht benötigen. Außerdem war sie jetzt die Einzige, die ihn sich schnappen konnte. Alle anderen verharrten auf ihren Posten, genau wie Maggie es befohlen hatte.
Das Knirschen des Schnees begleitete jeden ihrer Schritte. Ein Knistern kam aus ihrem Sprechgerät. „Verdächtiger ist in südliche Richtung gelaufen, Südosten.“
Der Junge war ein paarmal ausgerutscht, er fand keinen richtigen Halt mit seinen Turnschuhsohlen. Bei jedem Sturz konnte Maggie seinen Vorsprung verringern, inzwischen waren es noch zwei, drei Schritte. Nur eine Autolänge trennte sie noch, aber der Junge war drahtig und sehr beweglich, wich geschickt Stoßstangen und herausragenden Rückspiegeln aus. Er musste eine Heidenangst haben. Es tat nichts zur Sache, dass er nicht zu den Bombenattentätern gehörte. Wahrscheinlich wusste er überhaupt nicht, warum alle hinter ihm her waren. Maggie fragte sich, ob er überhaupt ihre Sprache verstand.
Sobald sie einen Blick auf ihn hatte werfen können, war ihr klar gewesen, dass er nicht zu der Gruppe der jungen Männer gehörte, die sie den ganzen Nachmittag über auf dem Bildschirm beobachtet hatte. Er war viel jünger, und er war dunkelhäutig. Groß, dünn – fast unterernährt. Aber dieser Blick hatte ihr alles gesagt, diese Augen, die die panische Angst eines Menschen zeigten, den man bereits des Öfteren gejagt hatte. Sie kannte diesen Ausdruck, kannte diese Angst sehr gut. Grund dafür waren keine Schuldgefühle, sondern die Angst vor Verfolgung. Dass der Junge ihre Sprache nicht verstand, war nur eine Ahnung.
Zwischen den Fahrzeugen gab es immer wieder Schneeverwehungen, und in der einen hatte Maggie ihren Stiefel verloren. Billige Überzieher. Sie ließ sich davon nicht aufhalten. Während ihres täglichen Trainings rannte sie fünf, manchmal bis zu sieben Kilometer.
Wieder knisterte es in ihrem Sprechgerät. „Passen Sie auf, dass er nicht vom Parkplatz kommt!“
Hinter sich ertönte ein metallisches Klicken. Offensichtlich folgten die Männer ihr nun also doch.
Verdammt. Hatten sie etwa schon ihre Gewehre entsichert? War es das, was sie gehört hatte? War etwa jemand mit der Waffe im Anschlag hinter einem Auto in Stellung gegangen? Ein Scharfschütze?
„Nicht schießen!“, schrie sie zwischen heftigen Atemstößen in das Gerät an ihrem Oberarm und hoffte, dass es auch zu verstehen war.
„Der Verdächtige flieht. Wird als gefährlich eingestuft.“
„Keiner soll schießen“, rief sie hechelnd. Der Junge war vollkommen verängstigt, nicht gefährlich. Würden sie ihn etwa abknallen, wo sie ihn schon fast hatte?
Hinter sich hörte sie noch mehr Bewegung, sie hatten schnell aufgeholt. Der Schnee knirschte unter schweren Stiefeln, metallisches Klicken, leise Rufe, die der Wind mit sich trug.
Wieder rutschte der Junge aus, schlitterte zur Seite und schlug mit dem Knie gegen einen Stoßdämpfer. Wieder verringerte sich sein Vorsprung um zwei Schritte. Dann blickte er über die Schulter nach hinten. Großer Fehler. Das kostete immer Zeit. Er versuchte wieder Abstand zu gewinnen, indem er eine scharfe Linkskurve machte und auf der anderen Seite der Autoreihe zurücklief. Maggie wirbelte herum.
Er war direkt neben ihr. Zwischen den Fahrzeugen konnte sie seinen Rucksack immer wieder aufblitzen sehen. Sie nahm alle Energie zusammen. Rannte noch schneller. Ihre Lungen brannten schon von der kalten Luft. Aber jetzt hatte sie den Wind im Rücken. Nur noch ein Stückchen. Sie musste einen oder zwei Schritte vor ihm ankommen. Er konnte ihr immer noch
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