Blutiger Frühling
Rittes nicht verraten, und Christoph hatte auch nicht danach gefragt, doch jetzt musste ein offenes Wort gesprochen werden.
»Christoph«, begann Albrecht, »willst du nicht wissen, warum wir hier sind?«
Der Junge rappelte sich im Sattel auf. »Doch, Herr«, gab er schläfrig zurück, »aber ich dachte, Ihr werdet’s mir schon beizeiten sagen.«
»So.« Albrecht suchte den Blick des Jungen. »Nun – jetzt ist es an der Zeit. Wir sind auf der Jagd.«
Christoph öffnete die Augen weit. Alle Müdigkeit schien plötzlich von ihm abzufallen. »Auf der Jagd, Herr?«, sagte er. »Aber dies ist ein Dorf – und außerdem haben wir weder Armbrüste noch Spieße bei uns!«
»Waffen werden nicht benötigt«, erklärte Albrecht. »Unser Wild ist kein Keiler oder Hirsch.«
»Was dann?« Christophs Blick war aufmerksam und gespannt.
»Eine junge Frau«, sagte Albrecht.
»Aha.« Der Junge tat, als verstehe er. Doch seiner Miene war anzusehen, dass er keine Ahnung hatte, was sein Herr meinte.
Albrecht schwieg einen Augenblick. Dann räusperte er sich. »Vor einiger Zeit«, fuhr er fort, »habe ich Gefallen an einem Mädchen gefunden, das heute hier sein müsste. Und dieses Mädchen möchte ich –«
»Entführen?«, unterbrach Christoph aufgeregt. »Ihr wollt es nach Weißenstein holen – mit Gewalt?«
Albrecht klappte den Mund auf.
»Herr«, sprudelten weitere Bedenken aus Christoph heraus, »das wird dem Grundherrn dieses Mädchens nicht gefallen!« »Aber wer redet denn von –«
Albrecht kam nicht zu Wort. Christoph hatte sich so in seine Bestürzung hineingesteigert, dass er seinem Herrn einfach noch einmal die Rede abschnitt. »Wir werden mit Krieg überzogen werden, wenn Ihr das Mädchen gegen seinen Willen wegschleppt«, stieß er hervor. »Herr – das will gut überlegt sein!«
Albrecht musste seine Erheiterung verbergen. Die Schreckensmiene des Jungen war allzu komisch. »Fürchte nichts, Christoph«, beruhigte er ihn, »es geht mir nur um ein Wiedersehen. Aber damit sie unbefangen bleibt, müssen wir eine List anwenden.«
Christoph stieß erleichtert den Atem aus. Dann legte er den Kopf schief und betrachtete seinen Herrn mit neuem Misstrauen. »Eine List?«, fragte er. »Was für eine List?«
Dieser Blick war Albrecht vertraut und berührte ihn seltsam. Wieso war ihm nur früher die große Ähnlichkeit des Jungenmit Eberhart Weißenstein nie aufgefallen? Einen Augenblick musste er innehalten und durchatmen. »Hör zu«, sagte er dann, »ich weiß, auf deinen Schultern sitzt ein kluger Kopf, Christoph. Das Mädchen kennt meinen Namen nicht – sie glaubt, ich sei Bürger einer Stadt. Als ich sie kennen lernte, nannte ich ihr einen falschen Namen – Albrecht Hund aus Schwarzental, weil ich wollte –«
Christoph unterbrach ihn zum dritten Mal, und zwar durch ein Kichern. »Hund aus Schwarzental«, sagte er, »das ist lustig!«
»Schweig jetzt und lass mich ausreden«, rief ihn Albrecht streng zur Ordnung. »Ich will, dass du mich ab sofort nicht mehr Herr nennst. Du bist Christoph Hund, mein Bruder – verstanden?«
»Euer ... Bruder?« Das Ungeheuerliche, das für Christoph in dieser Forderung lag, brachte ihn dazu, Mund und Augen aufzureißen.
»Ganz recht«, sagte Albrecht. »Ich bin dein Bruder – und du nennst mich beim Namen, wie es unter Brüdern üblich ist.«
»Das ... das kann ich nicht.« Christoph war zutiefst erschrocken. »Wie könnte ich Euch ... ?«
»Ich fordere es von dir«, gab Albrecht zurück. »Ich befehle es, und du wirst gehorchen.«
»Herr... ich...«
»Bruder«, wiederholte Albrecht. »Du wirst mich ab sofort mit Du ansprechen. Und verhasple dich nicht, wenn dir meine Gunst etwas wert ist.«
Christoph nickte.
»Wirst du es ohne Fehler fertig bringen?«
»Ja ... Bruder«, kam tonlos Christophs Antwort.
»Also: wie heißt du?«
»Christoph ... Hund aus Schwarzental.«
»Und wer bin ich?«
»Albrecht Hund ... mein Bruder.«
»Um wie viele Jahre bin ich älter als du?«
»Um sieben Jahre, Herr.«
»Bruder!«
Der Junge erwiderte Albrechts Blick mit Ergebenheit. »Du, mein Bruder Albrecht, bist um sieben Jahre älter als ich. Wir sind Bürger einer Stadt ... welcher Stadt?«
»Der Stadt Amorbach«, sagte Albrecht aufs Geratewohl. »Es spielt keine Rolle – jede ist recht.« Er gab seinem Hengst die Sporen. »Wirst du dich auch nicht verplappern?«
»Nein ... Bruder.« Christoph ließ sein Tier ebenfalls antraben. »Zu antworten brauche ich ja nur, wenn ich
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