Blutiger Frühling
Christoph rettete ihn. »Hab die Rösser ordentlich untergebracht«, sagte er und schob sich zwischen die Frau und seinen Herrn. »Sogar Futter war da. Und der Knecht sagte, wir können im Heu übernachten.«
»Gut gemacht, kleiner Bruder.« Albrecht atmete auf. »Willst du auch Bier?«
»Was denkst du denn?«, sagte Christoph unbekümmert und biss sich gleich wieder auf die Lippen. »Ich meine ...«
»Hast dir auch eines verdient«, unterbrach ihn Albrecht mit einem Augenzwinkern. »Vielleicht suchst du dir sogar eine Tänzerin?«
»Ich?« Der Junge lief rot an. »Ich bin doch fremd hier. Welches Mädchen sollte denn wohl mit mir tanzen wollen?«
»Aber ich bin es auch«, erwiderte Albrecht, »und ich werde bestimmt nicht den ganzen schönen Tag am Tresen verbringen.«
Die Frau mit dem schmalen Mund, die jetzt hinter Christoph stand, kakelte noch einmal und schaute dem Jungen über die Schulter. »Für Euch wüsste ich schon eine, Herr Nachbar«, sagte sie zu Albrecht und spitzte die dünnen Lippen. »Eine, die Euch bestimmt nicht missfallen würde.«
»Gestattet, dass ich mir diejenige, mit der ich tanze, selbst auswähle«, sagte Albrecht schroff. »Ich brauche dabei keine Hilfe.«
»Aber warum denn so abweisend?« Die Frau ließ nicht locker. »Seht nur – unsere Musikanten setzen wieder an. Habt Ihr nicht doch Lust, mit mir ein Tänzchen zu wagen?«
Albrecht hatte kaum wahrgenommen, was sie sagte, denn er hatte Anna Elisabeth gesehen. Am Arm des Mannes, mit dem sie gekommen war, schritt sie gerade zum Tanzboden. Ein Blümchen aus rotem Papier steckte in ihrem Haar ... es stammte sicherlich von irgendeinem Tandhändler draußen auf dem Markt. Den Mantel hatte sie abgelegt; darunter trug sie heute ein rostrotes wollenes Kleid, dessen schwarzes Mieder mit glänzenden Kordeln verschnürt war. Das Leinenhemd darunter leuchtete blendend weiß.
Wie schmal ihre Taille war, und wie wundervoll ihre Haut mit der dunklen Seide ihres Haares kontrastierte! Albrecht sog heftig die Luft in die Lungen, bemerkte erst jetzt, dass er die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. Sein Herz hämmerte so laut – er glaubte, seine dumpfen Schläge hören zu können.
Der Mann da vorn umschlang Anna Elisabeth mit seinen groben Armen. Sie legte graziös ihre kleinen Hände auf seine Schultern ... Albrecht spürte, wie ihm bei diesem Anblick heiß wurde. Er schob Christoph beiseite und fasste die Hand der aufdringlichen Person mit den schmalen Lippen. »Kommt«, sagte er, »Ihr sollt Euer Tänzchen haben – wenn Ihr mich danach in Ruhe lasst!«
Die Frau lachte schrill auf und ließ sich nur allzu gern zum Tanzboden führen. »Wer weiß«, kicherte sie, indem sie mit gezierten Schritten neben Albrecht hertrippelte, »vielleicht gefällt Euch das Tanzen ja auch – und Ihr macht noch eine zweite und dritte Runde mit mir ...«
Albrecht hörte nicht auf ihr Geschwätz. Während die ersten Takte erklangen, suchte er mit Blicken nach der einen, der seine ganze Aufmerksamkeit galt. Anna Elisabeth und der grobe Klotz drehten sich in der Mitte des Tanzbodens; Rebmann machte unbeholfene Sprünge, sie verstand es meisterhaft, seine tapsigen Fehltritte immer wieder auszugleichen.
Es galt, ihr ins Blickfeld zu kommen. Albrecht schob seine mehr als willige, unablässig grinsende Tänzerin zum Zentrum des dicht gedrängt tanzenden Bauernvolkes. Schritt für Schritt näherte er sich Anna Elisabeth und diesem Kerl ... und dann sah sie ihn.
Sie lächelte ihn an. »Albrecht«, sagte sie – er konnte es an ihren Mundbewegungen erkennen – »Albrecht Hund ... !«
Er lächelte zurück, spürte, wie seine Gesichtsmuskeln sich völlig verkrampften, hob grüßend die Hand. Sie winkte auch, und der grobe Klotz wandte ihm den Kopf zu. Doch Rebmann lächelte nicht, sondern nickte nur kurz.
Albrecht atmete gepresst. Das schreckliche Weibsbild, mit dem er sich im Kreis drehte, versperrte ihm die Sicht, und das war mehr als nur ein Ärgernis. Außerdem schwatzte sie drauflos, versuchte ihn dauernd in eine Unterhaltung hineinzuziehen,wonach ihm weiß Gott nicht der Sinn stand. Am liebsten hätte er sie einfach stehen lassen und wäre zu Anna Elisabeth hinübergegangen. Am liebsten hätte er diesen Rebmann einfach weggestoßen und sie in die Arme genommen ...
Der langsamen Anfangsweise folgte eine schnell zu tanzende Volte. Jetzt konnten die besseren Tänzer sich zeigen. Einige der jüngeren Männer hatten ihre Tänzerinnen schon um die Taille gefasst
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