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Blutiger Frühling

Titel: Blutiger Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara von Bellingen
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gefragt werde ...«
    »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann«, sagte Albrecht. »Nun wollen wir uns Unterkunft beschaffen, damit wir das Fest in Ruhe genießen können.«
    Es ging hoch her auf dem Michaeli-Markt vor der Kirche. Die beiden Reiter, die am Rand des Festplatzes abgesessen waren, hatten Mühe, ihre Tiere durch das Gewimmel der Feiernden hindurchzubugsieren. Von allen Seiten drängelten und schoben sich festlich gekleidete Männer, Frauen und Kinder in Richtung der Buden, an denen alles Mögliche und Unmögliche feilgeboten wurde. Durch die weit offen stehende Tür der Schenke zum Schwarzen Ross aber, aus der die Musik hervor- schallte, flutete im Wechselspiel ein wahrer Strom von Kirmesbesuchern hinein oder heraus.
    Bettler waren auch da – verschämte Elendsgestalten, die sich scheu in die Ecken drückten und manchmal in einer stummen Bitte um Almosen die Hand ausstreckten, wie Unverschämte, die laut schreiend ihre Lumpen und verkrüppelten Gliedmaßen vorzeigten und sich lamentierend an die Vorübergehenden hängten.
    Es war schwer, sich der Letzteren zu erwehren. »Pass auf deine Börse auf«, raunte Albrecht dem Jungen zu, »hier wimmelt es ganz bestimmt von Beutelschneidern!«
    Christoph hob die Augenbrauen. »Aber die Börse habt doch Ihr, Herr ... Bruder«, stammelte er und biss sich auf die Lippen.
    Albrecht gab ihm eine Kopfnuss. »Übertreib deine Höflichkeit nicht, Kleiner«, sagte er laut. »Und halt dich an die Regeln!«
    Im Gedränge entstand eine Bewegung. Ein paar Leute versuchten da zum Gasthaus durchzukommen. Albrecht blieb stocksteif stehen. Am Arm eines kräftig gebauten, breitschultrigen jungen Mannes schritt ein schlankes Mädchen vorüber, das er unter Tausenden wiedererkannt hätte.
    Sie war in einen dunkelblauen Mantel gehüllt. Ihr prächtiges schwarzbraunes Haar, im Nacken zu einem glatten Knoten aufgesteckt, glänzte in der Oktobersonne. Kleine Löckchen wehten am Ansatz ihrer Stirn ...
    Albrechts Herz hatte schmerzhaft zu schlagen begonnen. Er hörte kaum, wie Christoph an seiner Seite fragte: »Ist sie das?« »Wie ...?«
    »Ist das diejenige?«, wiederholte Christoph seine Frage.
    Albrecht nickte, aber er hatte Mühe, sich vom Anblick des Mädchens loszureißen. Erst, als sie mit ihrem Begleiter im Wirtshaus verschwunden war, fand er die Sprache wieder. »Stell die Pferde unter«, befahl er dem Jungen. »Wenn das geschehen ist, kommst du zu mir. Ich bin drinnen ...«
    Damit ließ er Christoph stehen und begann, sich durch das Gedränge zum Eingang der Schenke zum Schwarzen Ross vorzuarbeiten.
    Endlich hatte er es geschafft, in den Saal zu gelangen. Vorn, gegenüber dem Tresen, war der Tanzboden aufgebaut – ein niedriges Podest, neben dem die Spielleute ihren Platz hatten. Drei Flöten, ein Zink, eine Blasenpfeife und ein Päuklein erklangen hier. Ihre Musik war bei weitem nicht so ohrenbetäubend wie die der Sackpfeifen und Schalmeien draußen auf dem Marktplatz, und deutlich melodischer. Auf dem Tanzbodendrehten sich mehrere Paare, meist junge Leute. Andere standen am Tresen oder saßen auf Bänken, die an den Wänden aufgestellt waren, und ließen sich das Kirmesbier schmecken.
    Albrecht suchte den überfüllten Raum mit Blicken ab. Im Durcheinander der Menschen konnte er das Ziel seiner Sehnsucht nicht entdecken, aber sie musste hier sein – er hatte sie ja mit eigenen Augen hineingehen sehen. Unschlüssig wandte er sich dem Tresen zu, ließ sich einen Becher Bier einschenken, zahlte. Die Musik hatte aufgehört zu spielen; von der Tanzfläche strömten die Leute zurück zu den Fässern, aus denen der Wirt unablässig zapfte und austeilte.
    Albrecht spürte, dass seine Hände kalt und feucht waren. Er wischte sie an der alten, rauledernen Hose ab, die er auch heute trug. Ihm war, als seien alle seine Sinne geschärft – er roch den Schweiß des dicken alten Kerls, der neben ihm stand, empfand den strengen Geruch von dessen ungewaschener Haut wie einen Angriff auf sein Selbstgefühl und rückte angewidert von ihm ab. Auf der anderen Seite, zu seiner Linken, war eine Frau mit verlebtem Gesicht und einem dünnlippigen Mund, der ihn anlächelte. »Holla, Herr Nachbar ... seid Ihr immer so feurig?«
    »Nur heute«, gab Albrecht zurück, ohne ihr Lächeln zu erwidern.
    Sie stieß ein Lachen aus, das etwas zu schrill klang. »Gut gebrüllt«, kakelte sie, »machen wir den nächsten Tanz zusammen?«
    Albrecht wusste nicht, wie er das Weib loswerden sollte, doch

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