Blutiger Frühling
und wirbelten sie jetzt zu den lebhafteren Klängen des Springtanzes in die Höhe. Röcke flogen, mehr oder weniger hübsche Frauenbeine wurden sichtbar, manche Mädchen kreischten erschrocken auf, wenn von ihren Reizen mehr enthüllt wurde, als ihnen lieb war. Der grobe Klotz hatte Anna Elisabeth an der Hand genommen und wollte sie von der Tanzfläche herabführen.
Albrechts Tänzerin dagegen hielt ihn eisern fest. »Jetzt wird’s erst richtig lustig«, schnaufte sie und grinste anzüglich. »Herr Nachbar – werdet Ihr mich wohl auch so hoch werfen können?«
Albrecht fühlte sich abgestoßen. »Das könnte ich schon«, erwiderte er trocken, »aber ich glaube nicht, dass ich Euch wieder fangen würde.«
Die Frau kreischte auf. »Ihr seid herrlich«, jubilierte sie, »einfach herrlich!«
Doch er hatte es endgültig satt, ihr Geschwätz länger zu erdulden. »Verzeiht«, sagte er und machte sich aus ihrem klammernden Griff los, »ich muss jemanden begrüßen. Vielleicht sehen wir uns später noch einmal.«
Damit ließ er sie stehen und steuerte einfach auf Anna Elisabeth zu, die die Stufen des Tanzbodens bereits herabgestiegen war und am Arm des groben Klotzes zum Tresen geleitet wurde. »Jungfer Anna«, rief er sie an, »auf ein Wort!«
Sie drehte sich zu ihm um. Ihr Gesicht schien förmlich zu leuchten. In ihren Augen schimmerte ehrliche Freude. »Wiesonderbar, Euch hier zu sehen«, sagte sie, »das hätte ich nicht erwartet!«
Er sah sie an und fand keine Worte. Sein Herz dröhnte so sehr, dass es ihm beinahe die Brust sprengte. Er fühlte sein Blut in den Ohren rauschen.
Sie musterte ihn verwundert. »Was führt Euch so bald wieder in diese Gegend?«, wollte sie wissen.
»Eine Nachricht ...«, stammelte er, »ich habe eine Nachricht zu überbringen ...«
Der grobe Klotz mischte sich ein. »Und wo Ihr schon einmal hier wart, kam Euch das Erntefest wohl gerade recht, was?«, sagte er gut gelaunt. Er schien bereits ziemlich angetrunken, denn er schwankte ein wenig und sein Atem roch stark nach Bier.
»Man soll die Feste feiern, wie sie fallen«, erwiderte Albrecht mangels einer besseren Antwort.
»Wie klug bemerkt«, spottete Anna Elisabeth.
Albrecht schämte sich. »Eigentlich wollte ich Euch um den nächsten Tanz bitten, Jungfer«, sagte er, seine Verlegenheit bekämpfend. »Wenn es gestattet ist ...«
Der letzte Satz war für Johannes Rebmann bestimmt gewesen. Doch der grobe Klotz brauchte einen Augenblick, bis er das begriffen hatte. »Es ist gestattet«, sagte er geschmeichelt. »Ihr habt wohl Anstand und Sitte genug, dass ich Euch meine Braut für einen Gang überlassen kann.«
»Seid bedankt«, murmelte Albrecht, »ich weiß Euer Vertrauen zu schätzen.« Er fühlte sich leichtköpfig, beinahe schwindlig.
Anna Elisabeth reichte ihm die Hand. »Ihr habt zwar vergessen, mich zu fragen, ob auch ich einverstanden bin«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln, »aber die Antwort ist ja.«
Hannes Rebmann war bereits auf dem Weg zum Tresen. Albrecht fühlte den Druck ihrer schlanken Finger und spürte, wieseine Hand zu beben begann. »Was habt Ihr denn?«, fragte Anna Elisabeth. »Ihr seht so blass aus – ist Euch nicht wohl?« »Doch«, sagte er, »mir geht es gut ... sehr gut.«
»Dann kommt«, forderte Anna Elisabeth ihn auf. »Gleich ist diese wilde Volte vorbei, und es wird wieder ein langsameres Stück gespielt. Das strengt nicht so an.«
Er folgte ihr die Stufen zum Tanzboden hinauf. Er konnte nicht antworten – all seine Kraft schien ihn verlassen zu haben. Noch nie hatte er sich so schwach und hilflos gefühlt, und gleichzeitig so voll wilder Freude. Der Augenblick im Stall, da sie an seiner Brust gelegen hatte, fiel ihm mit plötzlicher Deutlichkeit wieder ein; nur noch wenige Herzschläge, dann würde sie von neuem in seinen Armen liegen, er würde –
»Albrecht Hund ...«, sagte sie neben ihm, »ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich Euch je wiedersehen würde!«
»Mögt Ihr die schnellen Tänze denn nicht?«, fragte er unpassenderweise.
»Hannes mag sie nicht«, gab sie zur Antwort. »Er ist kein sonderlich guter Tänzer. Der Zweitritt liegt ihm mehr.«
Die Musik endete mit einem heftigen Paukenschlag. Atemlose Paare mit erhitzten Gesichtern verließen die Tanzfläche, andere stiegen herauf und suchten sich einen Platz. Anna Elisabeth zog Albrecht an den hinteren Rand, nahe bei den Spielleuten. Hier ließ sie seine Hand los, lief zu dem Zinkenbläser hinüber und
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