Blutiger Halloween
wir nicht wußten, wie sie aussah und wo sie sich aufhalten konnte, holten wir uns einen jungen Mann, der Reisig anschleppte. Ihn fragten wir nach Carrie.
»Die habe ich mit den anderen am Kreis gesehen.«
»Was ist der Kreis?«
»Da gibt es was zu trinken. Ihn haben die Eltern eingerichtet. Sie bezahlen auch.«
Wir fanden den Kreis. Es war eine Bude. Sie stand ein wenig abseits, war dennoch gut zu erkennen, denn um sie herum schaukelten bunte Glühbirnen im Wind.
Viel war dort nicht los. Der Betrieb würde erst später einsetzen. Uns fiel eine Gruppe von fünf jungen Leuten auf. Zwei waren Mädchen, drei junge Männer.
Völlig normal schlenderten Glenda und ich näher, wurden auch kaum beachtet, sahen, daß eine ältere Person - mit älter meine ich die Jahre über Zwanzig - zur Gruppe trat und mit einem Hallo begrüßt wurde. Ich vernahm den Namen der Frau.
Man sprach von einer Miß Graves.
Diese Lehrerin konnte man als attraktiv bezeichnen. Sie war ebenso dunkelhaarig wie Glenda, trug lässige Kleidung und hatte sich über ihren Pullover eine weit geschnittene Blousonjacke gehängt. Ich hätte ihrer Unterhaltung gern zugehört, doch die Zeit drängte. Wenn ich in diesem Fall, der ja noch kein richtiger war, weiterkommen wollte, mußte ich mit Carrie Blake reden.
Ich fragte nach ihr.
Die Gespräche verstummten sofort. Sechs Augenpaare richteten sich auf uns.
»Ja, ich bin Carrie«, erklärte ein junges Mädchen gedehnt, warf mit einer lässigen Kopfbewegung ein paar Haarsträhnen zurück stellte ihr Glas ab und kam lächelnd auf mich zu.
»Wir sind Bekannte Ihres Vaters, Miß Carrie, und hätten Sie gern einmal gesprochen.«
»Bitte.« Sie nickte. »Reden Sie!«
»Unter vier Augen.«
Carrie runzelte die Stirn »Meinetwegen, wenn es nicht zu lange dauert. Aber gesehen habe sich Sie noch nicht.«
»Wir kommen auch aus London.«
»Ach so.«
Ein paar Schritte entfernt blieben wir stehen. Carrie verschränkte die Arme vor der Brust und nickte uns aufmunternd zu. »Es sind zwar keine vier Augen, dennoch, was möchten Sie wissen?«
Ich fiel mit der Tür ins Haus. »Es geht um den Brief!«
Trotz der mäßigen Lichtverhältnisse sah ich es in ihren Augen aufblitzen. Sie wußte genau Bescheid, wenn sie auch so tat, als sei ihr alles fremd.
»Welchen Brief meinen Sie?«
»Den Sie bekommen haben.«
»Wissen Sie, Mister«, sagte sie lachend, »ich bekomme viele Briefe. Schreiben ist wieder ›in‹.«
»Auch Morddrohungen?«
Carrie spitzte die Lippen. Leicht verengten sich ihre Augen, so daß sie mich aus Sicheln anschaute. »Wie meinen Sie das denn?« erkundigte sie sich leise.
»Ihr Vater hat mir von dem Brief berichtet.«
»Und was geht Sie das an?«
Mit dieser Frage hatte sie schon nicht abgestritten, daß der Brief existierte. Ein kleiner Pluspunkt für mich. »Miß Carrie, ich möchte Ihnen reinen Wein einschenken. Unser Besuch ist zur Hälfte privat. Andererseits bin ich Polizist. Als solcher nehme ich die Drohung sehr ernst. Ich habe auch eine Kopie gelesen. Nach einem Scherz sah mir das alles wirklich nicht aus.«
»Wer sollte denn ein Interesse daran haben, mich umzubringen?« fragte sie.
»Das will ich von Ihnen wissen.«
»Ich weiß es nicht.« Ihr Gesicht verschloß sich. Die Antwort klang verstockt.
»Carrie«, sagte ich eindringlich. »Da ist doch was.«
»Nein! Hören Sie auf, Mister…«
»Sinclair. John Sinclair. Neben mir steht Glenda Perkins. Aber kommen wir wieder zum Thema. Sie können mir nichts vormachen, Miß Carrie. Da ist irgend etwas. Ich brauchen Sie nur anzuschauen. Sie und Ihre Freunde machen auf mich einen völlig anderen Eindruck als die übrigen Schüler hier. Sie hocken ziemlich dicht beisammen, lustig sind Sie auch nicht. Das Fest streicht zwar nicht an Ihnen vorbei, aber Sie beobachten es mit besonderer Spannung. Habe ich recht?«
Von Carrie bekam ich keine Antwort. Glenda stand mir bei. »Es ist besser, wenn Sie reden, Miß Carrie.«
»Ich habe nichts zu sagen.«
Ich schoß den Versuchsballon ab. »Was sagen denn die anderen zu den Briefen?«
»Sie sind natürlich auch…« Laut saugte sie die Luft ein und blickte mich an. Jetzt hatte sie sich verraten.
Ich nickte. »Ihre Freunde ebenfalls, nicht wahr?«
»Ich habe nichts gesagt.« Carrie war wütend auf sich selbst, wollte auch verschwinden, doch dagegen hatte ich etwas und hielt sie an der Schulter zurück.
»Bleiben Sie noch!«
Sie blieb tatsächlich stehen. Die Hände hatte sie zu Fäusten
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