Blutiger Halloween
geballt, und sie schüttelte sich, als hätte jemand Wasser über sie gegossen. Langsam drehte sie sich um.
Wir schauten uns an. »Es haben also auch Ihre Freunde die Briefe bekommen.«
»Ja, Mister.«
»Wie viele Briefe sind verschickt worden?«
»Sechs.«
»Mit demselben Wortlaut?« Carrie nickte.
»Und welchen Grund gibt es dafür, Morddrohungen an Sie alle abzuschicken?«
»Keine Ahnung.«
Die Antwort floß zwar glatt über ihre Lippen, dennoch wußte ich, daß Carrie gelogen hatte. Was immer auch geschieht. Für jede Tat existiert ein Motiv, und hier war es sicherlich nicht anders. Aber Carrie wollte nicht mit der Sprache herausrücken, und zwingen konnte ich sie schließlich nicht.
»Sie machen sich aber Gedanken«, fuhr ich fort. »Ein wenig.«
Ich ließ meinen Blick über die Gestalten gleiten Leider zählte ich nur vier. Mit Carrie waren es fünf. Fehlt der oder die sechste, wenn ich die Lehrerin nicht hinzurechnete.
Wo steckte also Nummer sechs?
»Wer fehlt denn noch?« wollte ich von Carrie wissen.
»Ronny Wilder.«
»Und wo ist er?«
»Kein Ahnung. Vielleicht auf seinem Zimmer. Er wollte sich noch duschen oder umziehen.«
Glenda legte mir ihre schlanke Hand auf die Schulter. »Ich finde, John, daß wir einmal nachschauen sollten.«
Carrie hatte die Worte verstanden. »Meinen Sie denn, daß etwas passiert ist?«
»Nein«, wiegelte ich ab. »Dennoch - sicher ist sicher. Wo befindet sich das Zimmer?«
»Im anderen Trakt.«
»Beschreiben Sie mir den Weg.«
Das tat Carrie. Sie gab mir präzise Angaben, mit denen ich etwas anfangen konnte.
Ich bedankte mich bei ihr und bat sie, nichts von unserer Unterhaltung bei ihren Mitschülern verlauten zu lassen.
»Schon in meinem eigenen Interesse werde ich nichts sagen. Die anderen wissen nämlich nicht, daß mein Vater den Brief kennt. Sie können sich auf mich verlassen.«
Nach diesen Worten drehte sie sich um und ging davon Sehr nachdenklich schaute ich ihr hinterher. »Um diese sechs Personen gibt es ein Geheimnis, Glenda, darauf kannst du dich verlassen.«
»Das stimmt.«
»Und ich kriege es raus«, erklärte ich ihr, machte kehrt und ging dorthin, wo der Eingang der Schule lag. Ronny Wilder interessierte mich plötzlich…
***
Ronny hatte den Schock seines Lebens bekommen!
Er starrte auf die Maske und sah, daß sie auf einem Kopf saß, der zu einem Kinderkörper gehörte.
Er sah aber auch noch mehr.
Das Messer!
Lang spitz und breit war die blanke Klinge. Das Kind hatte den Arm erhoben, so daß sich die Klinge genau in der Maskenmitte befand und rechts und links von ihr die schaurigen Augenhöhlen glosten. Wilder brauchte Sekunden, um die neue Situation zu erfassen. Sein Gesicht wirkte wie eingefroren, er stand da, rührte sich nicht und starrte nur auf die schaurige Gestalt mit der Halloween-Maske, die sogar auf den Kopf paßte.
Ein Kind trug sie.
Angela!
Blitzartig kam ihm der Gedanke, und er entdeckte in den Augen-und Mundhöhlen das glosende Licht, wobei ihm plötzlich die Stimme entgegenwehte, die so dünn und trotzdem schaurig klang.
»Halloween! Heute ist Halloween der Tag der Abrechnung mein Kleiner…«
Eisige Finger schienen über den Rücken des Schülers zu fahren. Er hatte sich verkrampft, den Mund weit aufgerissen und mußte mit ansehen, wie sich das Kind bewegte.
»Ich komme«, hörte er die Stimme. »Angela kommt aus dem Totenreich zurück, um sich zu rächen…«
Erst jetzt gelang es Ronny, ein Wort hervorzubringen. Es war ein hastiges »Nein«, denn zu mehr war er einfach nicht fähig. Er würgte das Wort hervor, ohne die schaurige Gestalt aus den Augen zu lassen, die sich im Schrank versteckt hatte und nun langsam hervorkam. Singend…
»Heute ist Halloween… blutiger Halloween. Ich komme, um Rache zu nehmen. Du bist der erste. Hast du nicht damals die Maske getragen?«
»Angela, ich…«
»Du kennst mich?«
»Ja, ich…«
Angela schüttelte den Kopf, und die Maske bewegte sich mit. Ronny Wilder starrte sie an. Er fand, daß sie überhaupt nicht fremd auf dem Schädel wirkte, sie schien einfach dazuzugehören. Und es war die Maske, die sie vor sechs Jahren gehabt hatten. Ronny erkannte sie. Er erinnerte sich auch, daß sie damals plötzlich verschwunden gewesen war.
Und jetzt sah er sie wieder.
Bei Angela, einer Toten!
»Du kannst nicht mehr leben«, flüsterte er. »Das geht nicht. Du bist tot. Ich selbst war bei deiner Beerdigung. Ich mußte hin, dabei wollte ich nicht…«
»Ich weiß, Ronny,
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