Blutiger Halloween
sind, noch Kinder. Man kann sie nicht auf diese Weise zur Rechenschaft ziehen. Es war verwerflich, was sie getan haben, aber Kinder sind manchmal recht grausam.«
»Verwerflich?« schrie sie. »Es war Mord. Ein eiskalter, grausamer Mord, du verdammter Bulle!«
»Nein!« sagte ich. »Einer ist gestorben. Überlegen Sie, Miß Graves, und überlegen Sie ganz genau. Sie haben sich mitschuldig gemacht. Noch können Sie die mordende kleine Bestie zurückpfeifen, und ich möchte Sie bitten, dies zu tun!«
Sie lachte, während sie den Arm mit dem Revolver vorstreckte. »Und was geschieht, wenn ich sie zurückpfeife?«
»Werde ich mich um Angela kümmern.«
»Sie töten, wie?«
»Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, auch das«, erklärte ich ruhig. Sie schüttelte langsam den Kopf, ließ uns aber dabei nicht aus den Augen, und auch der Revolver bewegte sich nicht. »Nein, Bulle. Sie ist bereits einmal gestorben, ein zweites Mal geschieht dies nicht mehr. Man kann Angela nicht umbringen, das ist unmöglich. Sie hat den Satan im Leib, er regiert sie, und sie wird ihre Rache vollenden. Irgendwo dort oben läuft sie herum, stellt Fallen, und die Schüler tappen hinein. Dieses Hallowen-Fest wird keiner vergessen, der es je erlebt hat, das verspreche ich euch. Nur ist es schade, daß ihr davon nichts mehr mitbekommt, denn ich habe mich nicht nur mit schwarzer Magie und der Beschwörung von Toten beschäftigt, sondern auch das Schießen gelernt. In diesem Revolver stecken sechs Kugeln. Die werden für euch beide reichen. Jeder bekommt drei.«
»Wenn Sie uns erschießen, Miß Graves, kommen Sie nicht weit«, erklärte ich mit ruhiger Stimme. »Man weiß Bescheid, wo wir uns aufhalten, ich habe meinem Bekannten Zeiten mitgeteilt.«
»Bullen-Bluff«, unterbrach sie mich hart. »Nichts als billiger Bullen-Bluff. Niemand weiß etwas, das kann ich euch schwören, zum Teufel! Ich habe mich erkundigt, außerdem hat deine liebe Glenda es ja erzählt. Was hat sie sich Sorgen um ihren Bullen gemacht? Sie war aufgeregt und aufgelöst…«
»Wir haben gespielt.«
»Bulle!« keuchte die Lehrerin. »Ich laß mich von dir nicht aus dem Spiel bluffen. Du wirst sterben, und zwar in der nächsten Minute.« Sie legte genau auf mich an.
Das Kerzenlicht begann zu flackern. Für mich ein Zeichen, daß die Flamme ziemlich weit nach unten gebrannt war. In den nächsten Sekunden mußte ich mir etwas einfallen lassen, um aus der bösen Situation herauzukommen.
Es war verdammt schwer, denn das Weib hielt einen großen Trumpf, eben den Revolver, in der Hand. Die Entfernung stimmte für sie auch. Wenn sie schoß, konnte ich der Kugel nicht ausweichen. Sie war immer schneller als ein Mensch.
»Jetzt, Sinclair, jetzt…«
Ein Schrei, kein Schuß.
Gellend hallte er durch das Verlies, brüllte in meinen Ohren, aber nicht nur ich hatte ihn vernommen.
Glenda schrie wie eine Wahnsinnige, und sie brachte damit Caroline aus dem Rhythmus.
Plötzlich wies die Mündung des Revolvers nicht mehr direkt auf mich, und ich handelte…
***
Jack Mitchum kam nicht zurück!
Dabei hätte er schon längst wieder dort sein müssen, wo Julie Jackson stand und wartete. Für sie zogen sich die Minuten so unendlich lang hin, und jede Sekunde trieb die Angst stärker in ihr hoch. Wo konnte Jack nur sein? Er wollte sich doch überhaupt nicht so weit entfernen, und wenn Paul in der Nähe war, dann mußte er ihn längst gefunden haben.
Es rührte sich nichts.
Das Mädchen starrte in die grauen, wallenden Nebelwolken und wurde von einer drückenden Stille umgeben. Julie vernahm nur ihr eigenes Atmen, ansonsten nichts.
Kein Tier huschte in der Nähe vorbei, nicht einmal die bunten Blätter raschelten.
Ihr schien es, als würde der Wald den Atem anhalten, um ein schreckliches Ereignis nicht registrieren zu müssen. Sie machte sich Vorwürfe. Wäre sie doch mitgegangen, denn vier Augen sahen auch in dieser Nebelsuppe immer mehr als zwei. So aber blieb Julie weiterhin stehen und wartete auf ihren Schulkameraden.
Wieder vergingen zwei Minuten. Paul kam noch immer nicht zurück. Auch kein Rascheln war zu hören und auch nicht die dumpfen Schläge irgendwelcher Tritte auf dem fptirhten Roden.
Julie erlebte eine seltene Qual. Sie traute sich auch nicht, irgend etwas zu sagen. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und ging selbst ein wenig vor. Jetzt verschwand auch der Kloß in ihrem Hals, und sie rief in das Dunkel und den Nebel
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