Blutiger Halloween
hinein.
»Jack!« Ihre Stimme wurde schon bald verschluckt. »Jack, hörst du mich? Gib Antwort…«
Jack und der Wald schwiegen…
Julie Jackson wußte ja, in welcher Richtung sich ihr Schulkamerad gewandt hatte, und auch sie schlug den Weg ein. Sie konnte einfach nicht mehr warten, sondern wollte endlich wissen, was geschehen war und ob Jack mit seiner Suche. Erfolg gehabt hatte. Feuchter Nebel umschmeichelte sie. Er schluckte ihre Gestalt und verwischte sie zu einem Schemen.
Sie entfernte sich immer nur so weit vom Rand des kleinen Teichs, daß sie ihn auch im Auge behalten konnte und das Schimmern der Wasserfläche sah.
Es kam der Zeitpunkt, als sie den Teich passiert hatte und sich entscheiden mußte, ob sie weitergehen sollte oder nicht. Vor ihr lag ein dichtes Stück Wald, während der Teich sich mehr auf einer kleinen Lichtung befand.
Jetzt konnte es nicht mehr weit sein. Jack war kein Typ, der einfach Reißaus nahm, er mußte sich in der Nähe befinden. Mit diesem Gedanken versuchte Julie sich Mut zu machen, wobei sie aber auch daran dachte, daß er sich eventuell versteckt hatte, um sie zu erschrecken. Wenn er das tun würde, dann… Sie wußte nicht, was sie dann unternehmen wollte, denn die Angst kehrte stärker zurück als zuvor.
Julie sah die Bäume. In der Dunkelheit wirkten sie schon gespenstisch, nun war der Nebel hinzugekommen, und da sahen sie aus wie bizarre Geister aus einer fremden Welt.
Manchmal streifte Laub über ihre Stirn. Es war feucht und blieb sogar kleben. Sie schüttelte sich.
Noch einen Schritt ging sie vor. Die Spitze des rechten Fußes stieß in diesem Augenblick gegen etwas Weiches. Sofort blieb das Mädchen stehen. Zuerst dachte Julie an ein totes Tier, dann jedoch keimte ein schrecklicher Verdacht in ihr hoch.
Der weiche Gegenstand hätte ebenso ein Körper sein können, der auf dem Boden lag.
Sie bückte sich. Ihr Kopf machte die Bewegung nicht mit. Julie streckte nur den Arm aus, berührte den Körper und wußte im nächsten Augenblick Bescheid. Vor ihr lag ein Mensch.
Die Finger der gespreizten Hand glitten ein wenig weiter und stachen in etwas Feuchtes hinein.
Sofort zuckte die Hand des Mädchens zurück. Sie hielt sie vor ihre Augen, entdeckte die dunkle Flüssigkeit und bekam Herzklopfen wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Blut klebte an ihren Händen.
Jacks Blut!
Denn als sie nach unten schaute, sah sie den toten Jungen vor ihren Füßen liegen…
***
Eigentlich hätte sie gellend schreien müssen, doch kein Laut drang über ihre Lippen. Das kalte Entsetzen nagelte sie auf der Stelle fest, und sie fühlte überhaupt nichts. Vielleicht eine innere Leere, ein seelisches Vakuum, ansonsten war es aus.
Er lag auf dem Rücken. Ein blasses Gesicht, weit geöffnete Augen, die wie dunkle Punkte wirkten, und das Mädchen stand da mit eingefallenen Schultern und einem verzogenen Gesicht dessen Ausdruck zwischen Lachen und Weinen schwankte. Dann begann sie zu zittern. An den Füßen fing es an, lief über die Beine, die Knie, erreichte ihren Oberkörper, den Kopf, wobei im nächsten Augenblick die Zähne klackend aufeinanderschlugen. Dabei blieb sie stumm. Nicht ein in der Kehle geborener Laut verließ den Mund. Aber über ihr geschah etwas.
Das Unheil lauerte in den Zweigen.
Nach dem schrecklichen Mord war Angela auf den Baum geklettert und hatte ihren Platz im Gewirr der Äste gefunden. Dort wartete sie.
Das Schimmern der Maske wurde vom Nebel verwischt, sie gloste in ihrem Innern weniger stark Mit einer Hand hatte sich die lebende Tote an einen starken Ast geklammert, in der anderen hielt sie das Messer, und dessen Spitze zeigte auf den Erdboden. Unter ihr stand das Mädchen.
Eine schmale Gestalt, einsam, verloren, schutzbedürftig. Aber Angela wußte genau, daß Julie Jackson vor sechs Jahren ebenfalls dabei gewesen war und nichts getan hatte, um den schrecklichen Selbstmord zu verhindern. Sie war nicht besser als die anderen und hatte das gleiche Schicksal verdient wie alle. Die Klinge würde sie treffen.
Gnadenlos!
Einem Raubtier gleich hockte die lebende Tote im Baumgeäst. Die Augen starrten durch die Höhlen der Maske. Sie waren mit einem gelbroten Licht ausgefüllt, das seltsam dunstig wurde, als Nebelschleier auftauchten.
Julie war ahnungslos.
Die lebende Leiche im Geäst des Baumes freute sich diebisch. Sie mußte nur ein wenig zur Seite rücken, um sich fallen lassen zu können, denn sie wollte die Schülerin mit einem Stich niedermachen.
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