Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
Vom Netzwerk:
wirklich Gedanken lesen. Verdammt.
    20 Minuten
später hatten sie das kleine Haus endlich gefunden, Aich 23. Dahlien blühten in
Töpfen vor den Fenstern, karierte Vorhänge bauschten sich hinter den Scheiben. Wie
ein Knusperhäuschen, dachte Leo, gleich wird die alte Hexe öffnen. Er sah Pestallozzi
fragend an und der nickte, Leo pochte gegen die hölzerne Tür. Eine Minute verging,
ein Schatten bewegte sich an einem der Fenster, dann waren schnelle Schritte zu
hören und die Tür wurde geöffnet. Leo starrte sprachlos die Hexe an. Als Erstes
fielen ihm ihre Augenbrauen auf, sie waren so dicht und geschwungen wie die von
Julia Roberts, allerdings über der Nase zusammengezogen wie von einer zornigen Julia
Roberts. Die Augen darunter waren von einem blitzenden Grau, die kastanienbraunen
Haare auf dem Hinterkopf zu einem Knoten zusammengesteckt, aus dem sich allerdings
schon wieder Kringel lösten. Dazu trug die Hexe Jeans und ein T-Shirt, das ziemlich
prall wirkte. Leo schwieg, bis ihn ein Hüsteln von Pestallozzi wieder wachrüttelte.
    »Ähm, ja,
wir sind …«
    »Wenn Sie
nicht sofort verschwinden, rufe ich die Polizei«, fauchte die Hexe. »Was glauben
Sie eigentlich, was Sie hier zu suchen …«
    Pestallozzi
trat einen Schritt vor, Leo machte einen Schritt zur Seite.
    »Gestatten
Sie, dass wir uns vorstellen«, sagte Pestallozzi mit seiner Stimme für ganz besondere
Gelegenheiten. »Ich bin Chefinspektor Artur Pestallozzi und das ist mein Kollege
Leo Attwenger. Entschuldigen Sie die Störung, aber wir hätten sehr gerne mit Frau
Katharina Luggauer gesprochen. Die wohnt doch hier?«
    Die junge
Frau im Türrahmen schwankte zwischen Zorn und Verlegenheit.
    »Entschuldigen
Sie, das habe ich nicht gewusst. Ich habe geglaubt, dass Sie schon wieder so ver…
Journalisten sind. Die belästigen uns bereits den ganzen Tag. Meine Tante hat sich
ein bisschen niedergelegt.« Sie trat zögernd von der Tür zurück. »Aber ich kann
ja nachschauen, wie es ihr geht.«
    »Das wäre
sehr freundlich von Ihnen, Frau …«
    »Anna Luggauer.
Ich bin die Nichte.«
    »Wir stören
Sie sicher nicht lange.«
    Pestallozzi
lächelte die junge Frau an und trat ein, Leo zwängte sich hinterher. Der Vorraum
war nur so groß wie der bunte Flickenteppich auf dem Boden, eine steile Holztreppe
führte in den ersten Stock, links ging es in eine Stube, die den beiden Männern
so niedrig erschien, dass sie unwillkürlich die Köpfe einzogen. Die junge Frau machte
eine höfliche Bewegung zum Zimmer hin und verschwand über die Treppe. Sie betraten
den Wohnraum, es roch nach Suppe und Kräutern und nach frisch gebügelter Wäsche,
Leo fühlte, wie er sich entspannte. So hatte es immer bei seiner Oma gerochen, und
die war ganz bestimmt keine Hexe gewesen, Leo vermisste sie noch immer. Sie standen
da und sahen sich in dem kleinen Raum um. Weißes Porzellangeschirr mit Goldrand
glänzte durch die Scheiben einer Vitrine, deren Borde mit gehäkelten Borten geschmückt
waren. Ein Ungetüm von Ofen stand an der Wand neben dem Türrahmen, auf dem Tisch
in der Fensterecke lag eine aufgeschlagene Zeitung. Über ihrem Kopf waren Schritte
und leise Stimmen durch die Holzdecke zu hören, dann kamen zwei Personen die Treppe
herunter, Nichte und Tante.
    »Grüß Gott,
Frau Luggauer«, sagte Pestallozzi. »Wir wollten nur nachschauen, wie es Ihnen heute
geht. Hoffentlich haben wir Sie nicht aufgeweckt!«
    Die alte
Frau sah müde aus, aber auch geschmeichelt. »Gar nicht, Herr Chefinspektor!« Sie
nickte Leo zu. »Das ist aber nett, dass Sie sich extra meinetwegen herbemüht haben.
Anna, du machst uns doch einen Kaffee, ja? Und schneid’ ein paar Stück von dem Nusskuchen
für die Herren ab, sei so lieb!«
    Leo erwartete,
dass der Chef abwehren würde, aber der lächelte nur erfreut. »Sehr gerne, das ist
wirklich nett von Ihnen!«
    Sie setzten
sich an den Tisch, Julia Roberts war ganz eindeutig erleichtert, in der Küche verschwinden
zu können. Leo hörte, wie sie Wasser in eine Kanne rinnen ließ. Der Chef saß ganz
entspannt da und hatte die Hände vor sich auf den Tisch mit der blumenbestickten
Decke gelegt, die alte Luggauer saß rechtwinkelig vom Chef ebenfalls auf der Holzbank
an der Wand, Leo hatte sich einen Sessel mit geschnitztem Herz in der Rückenlehne
geangelt.
    »Wie geht’s
Ihnen denn heute so, Frau Luggauer?«, fragte der Chef nochmals, offenbar wurde er
nie müde, ganz einfache Fragen zu stellen. Einmal, zweimal, dreimal, immer wieder
erhielt er

Weitere Kostenlose Bücher