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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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würdig.
    »Ich frage
mich nur, weshalb …«, sagte der Chef, er sprach ganz eindeutig mit sich selbst.
Leo hätte sich zu gerne noch einmal umgedreht, aber dann ließ er es bleiben. Er
folgte Pestallozzi zum Auto, das vom Staub der Touristenbusse ganz überkrustet war.
     
    *
     
    Die Ducati legte sich so schräg
in die Kurve, dass sein rechtes Knie beinahe den Asphalt streifte. Er hätte immer
weiter so fahren können, am Seeufer entlang, zwischen den Bergen hindurch und in
die Dämmerung hinein. Fahren, fahren, fahren. So wie die Abenteurer früher, als
Bub hatte er hoch droben in seinem Versteck am Dachboden sämtliche Geschichten über
die portugiesischen und spanischen Entdecker verschlungen und dabei beinahe aufs
Atmen vergessen. Die waren von fernen Klippen mit so wunderbar schrecklichen Namen
wie ›Ende der Welt‹ losgesegelt, obwohl sie doch felsenfest glaubten, dass die Erde
eine Scheibe sei und sie abstürzen würden weit draußen auf dem Meer, wo sich Wasser
und Himmel zu einer dunstigen Kante vereinen. Und trotzdem hatten sie die Segel
gehisst, und trotzdem waren sie hinausgefahren, als ob das alles überhaupt nichts

    Er musste
heftig husten.
    Diese verdammten
Mücken, schon wieder war ihm eine in die Kehle geraten, dabei hielt er die Lippen
so fest zusammengepresst, dass seine Kiefermuskeln schmerzten. Und der Nacken fühlte
sich wie Beton an, von seinem Hintern ganz zu schweigen. Kein Wunder nach über zwölf
Stunden im Sattel. Aber die hatte er einfach gebraucht, auch wenn die Kumpels ihn
beinahe mit Gewalt davon hatten abbringen wollen. Der Milo hatte sich sogar mit
ausgebreiteten Armen vor die Ducati gestellt und ein Riesentheater veranstaltet.
Raffitschko, du darfst jetzt nicht fahren, hörst du? Gerade haben sie dir gesagt,
dass dein Vater tot ist, und jetzt willst du ganz alleine losrasen, das ist doch
Wahnsinn, total verrückt ist das! Komm, steig ein und fahr mit mir, wir machen auch
keine einzige Pause, Raffitschko, für dich pinkel ich sogar in eine Slibowitzflasche!
    Aber er
hatte den Milo zur Seite geschoben und seinen alten Seesack auf dem Gepäckträger
festgezurrt und war gestartet, der Milo hatte ihm noch etwas zugerufen. Dann war
er rausgebrettert aus Dubrovnik und rauf nach Split über die Küstenstraße, immer
nur fahren, fahren und sich auf die Kurven konzentrieren und auf die Idioten, die
ausscheren, ohne in den Rückspiegel zu blicken. Zadar und Rijeka hatte er hinter
sich gelassen, ohne es wirklich zu registrieren. Durchs Landesinnere über Zagreb
wäre die Route kürzer und in jedem Fall einfacher und sicherer gewesen, aber er
brauchte Zeit und wollte einfach nur fahren, fahren. Irgendwo hinter Triest hatte
er kurz angehalten und getankt und einen Espresso doppio getrunken und ein Panino
mit ranzig schmeckendem Prosciutto runtergeschlungen. Und allmählich war die Betäubung
gewichen, und die Erinnerungen waren gekommen wie ein Mückenschwarm, dem man einfach
nicht ausweichen konnte. Der Vater war tot. Ermordet. Erstochen. Unfassbar, unglaublich,
unbegreiflich. Wer das getan hatte? Er selbst hatte es nicht gewagt, das stand fest.
In den schlimmsten Momenten des Aufbegehrens nicht, als sein Gesicht von Schlägen
brannte. Nicht, als er mit ansehen musste, wie die Mutter gelitten hatte unter der
Kälte. Nicht einmal, als die Charlotte runtergegangen war zum See und … Ein anderer
hatte es gewagt und die Hand erhoben. Ob die Polizei schon einen Verdacht hegte?
Wenn ja, dann würde er alles tun, um dem, der das getan hatte, zu helfen. So war
es. Er fuhr zurück, um den Mörder seines Vaters zu beschützen.
    Fahren,
fahren. An Udine vorbei und durchs Kanaltal hinauf zur Grenze, wo früher die Zöllner
in den Abgasschwaden der Autokolonnen die Pässe kontrolliert hatten. Eine diffuse
Kindheitserinnerung stieg in ihm hoch, an einen Markt voller Früchte und nach Leder
riechender Schuhe, die Mutter hatte auf Italienisch lachend um ein Paar Handschuhe
gefeilscht. Dann lagen die gähnend leeren Zollgebäude auch schon hinter ihm, Villach
und das Drautal flogen vorbei, hinauf ging’s durch den Tauerntunnel und an den Gasteiner
Bergen entlang. Tunnel um Tunnel und dann plötzlich das weite Land, der Untersberg
zur Linken und Salzburg geradeaus, der See kam immer näher, es gab keinen Umweg
mehr, den er noch hätte nehmen, keine Zeit, die er noch hätte schinden können. Seine
Oberschenkel fühlten sich völlig taub an, seine Hände schienen ihm längst zu Klauen
erstarrt, die den

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