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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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Luggauer gestern telefoniert hat. Und du weißt ja …«
    Sie grinsten
sich an. Auf offiziellem Weg würde so eine Ermittlung Lichtjahre dauern, aber mit
Hilfe von Leos Charme würde vielleicht ein kurzes Gespräch genügen. Sonja arbeitete
in der Zentrale vom größten Handybetreiber des Landes, und zum Glück war sie eine
der wenigen Exfreundinnen von Leo, wenn nicht überhaupt die einzige, die dem guten
Leo nicht gram war. Sonja hatte sich nämlich verbessert, sozusagen, und war jetzt
mit einem Chirurgen vom Landeskrankenhaus liiert. Ab und zu telefonierten die beiden
noch miteinander und Sonja schmachtete von den wunderbaren Urlaubstagen an der Algarve.
Oder besser gesagt, von den wunderbaren Nächten, ach Leo, kannst du dich noch erinnern?
Leo schmachtete verhalten zurück, Sonja war dann zu allem bereit.
    »Wird gemacht,
Chef. Ich kann’s ja versuchen!«
    Leo verschwand,
und Pestallozzi wandte sich endgültig den Akten zu. Er überflog die ersten Seiten
der ersten Mappe und fühlte, wie der Abscheu in ihm hochstieg. Ein Abscheu, der
völlig unprofessionell war, aber er konnte sich seiner nicht erwehren. Der nackte
alte Mann auf dem Seziertisch war nur ein Glied in der Kette einer Familie gewesen,
die wie ein Krake über dem Land saß. Der alte Mann hatte Joppen und Lederhosen getragen
und sich in seiner Rolle als Landadeliger gefallen, aber die Verästelungen des Gleinegg’schen
Imperiums reichten weit über Wald und Felder hinaus. Anteile an der größten Druckerei
des Landes, die wiederum mit dem größten Medienkonzern des Landes verknüpft war,
Anteile an der Landesbank, dazu hatte der alte Gleinegg bis vor wenigen Jahren diverse
Aufsichtsratsposten in Firmen und Holdings innegehabt, die Pestallozzi nur aus den
Wirtschaftsnachrichten kannte. Und er hatte seinen Einfluss genutzt, das ging ebenfalls
aus den Unterlagen hervor. Als Mitglied des Arbeitgeberverbandes zum Beispiel, Pestallozzi
konnte sich gut vorstellen, wie der Herr Baron mit Gewerkschaftern umgesprungen
war. Die kleinen Leute strampelten sich ab, ein Gleinegg griff zum Hörer und rief
einen Spezi aus den allerhöchsten Kreisen in Wien an. ›Servus, du, ich hätt’ da
ein Problem, du kannst mir doch sicher helfen.‹ Wenn es ihn nicht selbst erwischt
hätte, sondern ein anderes Mitglied der Familie, dann hätte der Baron Gleinegg hundertprozentig
all seinen Einfluss genutzt, um die Presse in Schach zu halten und die Untersuchungen
zu kontrollieren. Aber seine Kinder schienen aus einem anderen Holz geschnitzt zu
sein, Pestallozzi dachte an die erstarrten Gesichter bei der Befragung. Abwehrend
und wenig kooperativ waren sie gewesen, aber bislang hatte es niemand gewagt, ihm
Direktiven zu erteilen. Wenn der alte Gleinegg seine Kinder richtig eingeschätzt
hatte, dann war das wohl Strafe genug für ihn gewesen.
    Pestallozzi
hörte, wie Leo im Nebenzimmer schäkerte und schmeichelte. Er lehnte sich im Sessel
zurück und nahm die Schultern zurück, um seinen Nacken zu entkrampfen. Pestallozzi
glaubte schon lange nicht mehr an die Politik im Land, an Wahlen und Volksbefragungen.
Die Entscheidungen fielen anderswo, an dunklen Orten, ab und zu platzte eine übel
riechende Blase, aber was änderte das? Immer öfter fragte er sich selber, warum
er hier saß, auf dieser Seite. Ein spät berufener Anarchist im Anzug mit Krawatte,
der manchmal klammheimlich fand, dass es sehr wohl den Richtigen erwischt hatte.
Aber er erschrak dann immer über sich selbst, dass er so etwas dachte.
    Leo erschien
im Türrahmen und sah ganz aufgeregt drein.
    »Bingo!
Anruf von Raffael Gleinegg an Anna Luggauer, gestern um 15 Uhr 48, Dauer des Gesprächs:
4 Minuten 30!«
    Pestallozzi
nickte. »Danke, Leo, gute Arbeit!«
    Leo stand
abwartend da und hoffte auf einen weiteren Kommentar zu dieser sensationellen Wendung.
Aber der Chef blickte nur zum Fenster hinaus und schien irgendwelchen verschlungenen
Gedanken nachzuhängen. Leo zuckte beleidigt mit den Achseln und ging in sein Zimmer
zurück.
    Der Nachmittag
vertröpfelte, Pestallozzi brütete über den Akten und machte sich Notizen auf einem
Spiralblock, dazu malte er Kringel und schwarze Löcher und einen Pfeil, an dessen
Spitze er sorgfältig ein Fragezeichen setzte. Wenn ihn der Woratschek jetzt sehen
könnte … Pestallozzi grinste bei dem Gedanken, das wäre dem Herrn Doktor sicher
einen Anruf in Wien wert. ›Der zuständige Chefinspektor sitzt untätig am Schreibtisch
und kritzelt auf einem Blatt Papier herum, so wird

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