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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Faro
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auch ordentlich arbeitet. Und so weiter, und so fort,
die Tante Kathi hatte sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen. Anna holte
tief Luft. Falls ihnen wieder irgendwelche Journalisten über den Weg laufen würden,
dann jedenfalls …
    »So, ich
bin fertig.«
    Die Tante
Kathi stand da, sie hatte eine gestrickte Weste über das grüne Kleid angezogen und
den alten Henkelkorb über dem Arm. Anna erhob sich seufzend.
    »Jetzt mach
nicht so ein Gesicht! Ein Spaziergang wird uns gut tun.«
    Die Tante
Kathi schloss die Tür ab und sie bogen in die schmale Straße hinunter in den Ort
ein. Zum Glück schienen keine Reporter mehr auf Beute zu lauern. Gestern hatte es
ein Schulmassaker in einem kleinen Ort in Frankreich gegeben, der Mord am Gleinegg
begann langsam, auf die hinteren Seiten der Zeitungen zu rutschen. Anna ging langsam
neben ihrer Tante her, die kräftig ausschritt, aber die Tante war eben einen Kopf
kleiner als sie. Immer wieder mussten sie grüßen und stehen bleiben und die Fragen
von neugierigen Nachbarn beantworten. »Ja Kathi, wie geht’s dir denn? Brauchst was?«
    »Mir geht’s
gut. Und ich hab ja die Anna, die hilft mir schon.«
    So schlängelten
sie sich durch den Ort, je näher sie zum Zentrum kamen, desto größer wurde das Touristengedränge.
Japanerinnen posierten kichernd neben einem Einheimischen mit Lederhosen und Gamsbarthut,
Kinder quengelten, eine schwitzende Frau mit Sonnenhut rempelte Anna an. Im Supermarkt
kauften sie fünf Kilo Gelierzucker, Shampoo und Klopapier, der neue Schuster hatte
die braunen Schnürschuhe von der Tante Kathi mit einer gerippten Sohle gedoppelt
und bekam ein schönes Trinkgeld. Alles ging gut, Anna schleppte die Einkaufstaschen
und kam richtig ins Schwitzen. So oft hatte sie der Tante Kathi schon ein Einkaufswagerl
einreden wollen, für die steile Straße hinauf zum Haus, aber die wehrte bloß immer
ab. »Ein Einkaufswagerl auf Rädern? Geh, das ist doch nur was für alte Leut.«
    Anna musste
lächeln. Sie waren auf dem Platz vor dem ›Kaiserpark‹ angelangt.
    »Willst
du in die Küche zum Edi schauen?«, fragte Anna, aber ihre Tante schüttelte den Kopf.
    »Das hat
Zeit. Ich hab ihn schon angerufen und ihm gesagt, dass ich nächste Woche noch einmal
komm und meine Sachen hol. Zum Glück ist die Saison ja schon fast vorbei. Der Edi
kommt jetzt wieder gut ohne mich zurecht.«
    Sie gingen
weiter, doch plötzlich wurde Anna bewusst, dass sie ihre Tante verloren hatte. Sie
blieb stehen und sah sich suchend um, hinter ihr hatte eine Gruppe von Italienern
aufgeschlossen, die ganz begeistert auf die Berggipfel rund um den See deuteten
und durcheinanderschnatterten. Und dann sah sie ihre Tante. Sie stand noch immer
gegenüber vom ›Kaiserpark‹, wie zur Salzsäule erstarrt. Anna fühlte, wie ihr Herz
zu pochen anfing. Hatte jemand ihre Tante attackiert oder etwas Dummes zu ihr gesagt?
Sie drängte sich durch die Italiener und hastete zurück. Tante Kathi blickte stumm
und unverwandt nach vorne, als ob sie gerade eine Erscheinung gehabt hätte. Aber
sie wirkte nicht erschrocken, sondern irgendwie … als ob sie einen Engel gesehen
hätte, dachte Anna.
    »Ist alles
in Ordnung?«
    Aber ihre
Tante schien sie nicht zu hören. Anna versuchte ihrem Blick zu folgen, doch sie
sah nur das übliche Menschengewühl, Touristen und ein paar Einheimische. Vor den
Stufen vom ›Kaiserpark‹ stand eine Gruppe junger Männer in Bermudas und Turnschuhen,
offenbar Amerikaner, Wortfetzen wurden zu ihnen herübergetragen.
    »Tante Kathi,
was ist denn?«, sagte Anna wieder flehentlich, sie rief es fast und schüttelte die
alte Frau am Arm.
    Diese schien
langsam wie aus einem Tagtraum aufzuwachen. Sie sah Anna an, dann begann sie zu
lächeln, endlich.
    »Gar nichts
ist.«
    »Aber du
bist dagestanden und hast so dreingeschaut, als ob … ich hab gar nicht gewusst,
was …«
    »Passt schon«,
sagte die Tante Kathi und holte tief Luft, endlich bekamen ihre Wangen wieder Farbe.
»Ich hab nur verschnauft. Es war halt doch viel in den letzten Tagen. Mach dir keine
Sorgen, mit mir ist alles in Ordnung.«
    Anna griff
nach dem Arm ihrer Tante, diesmal ganz behutsam, und gemeinsam gingen sie die Straße
zurück. Anna schien es, als ob sogar die Touristentrauben bereitwillig den Weg für
sie freimachen würden. Dann waren sie endlich wieder beim Haus, die Tante Kathi
sperrte auf, und Anna trug die Taschen in die Küche. Der Zucker wurde in die Kredenz
gestellt, und die Schuhe kamen in das Kastl

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