Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Stuttgarter Kollegen. In diesem Moment trat die Dunkelhaarige, die er aus dem Bordellzimmer kannte, auf ihn zu, nahm seine Hand und sagte: »Spasiba!«
46.
»Glaub ja nicht, dass ich Mitleid mit dir habe.« Keller hob seinen grauen Kopf und leistete sich einen finsteren Blick in Fabians Richtung. Dieser setzte sich an seinen Platz und fuhr den Rechner hoch. Zum Glück lag in der zweitobersten Schublade noch eine angebrochene Tafel Noisette, die er dringend brauchte. Vor allem, weil sie im Mund schmolz, ohne dass er groß kauen musste.
Es war Montagmorgen. Seit der Nacht von Samstag auf Sonntag war sein rechtes Auge nur noch ein schmaler Spalt. Darunter hatte seine Wange eine dekorative dunkelviolette Farbe angenommen. Sein Jochbein tat weh, und seine Nase war so außer Form, dass er jeden Blick in den Spiegel vermied. Der Rettungswagen hatte ihn nach dem Vorfall am Samstag ins nächste Krankenhaus gefahren, wo man sein Gesicht geröntgt und mit Kühlpflastern versorgt hatte. Bis auf einen Haarriss im Unterkiefer war nichts gebrochen, so dass er nach der Untersuchung nach Hause gehen konnte. Im Gang vor der Notaufnahme hatte ihn die Reporterin des Lokalfernsehens für ein kurzes Interview abgefangen. Er hatte im Vorbeigehen angedeutet, dass russische und italienische Organisationen hinter den Taten rund ums »Fallen Angel« stecken könnten und an den Pressesprecher der Stuttgarter Polizei verwiesen. Danach war er von Tobias abgeholt worden. Mit einer Schachtel Aspirin, Kühlbeuteln und dem Sportprogramm im Fernsehen hatte er das Wochenende irgendwie überstanden. Am Montagmorgen hatte er sich eine Spur besser gefühlt und war schon früh in Richtung Polizeidirektion aufgebrochen, wo ihn Fritz Keller mit düsterer Miene erwartete.
»Gut, die Mädchen sind frei, und der Laden ist aufgeflogen. Aber wenn du denkst, dass ich dich für die eigenmächtige Aktion auch noch lobe, dann irrst du dich gewaltig«, grollte er. »Als Einzelkämpfer wird man bei der Polizei nicht alt.«
»Lass uns lieber zusammentragen, was wir haben!« Fabian war zu müde, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Mit einem Stapel Akten auf den Armen trat Rena in den Raum und warf einen entsetzten Blick in seine Richtung. »Das sieht ja schlimm aus.« Sie legte die Ordner auf den Tisch. »Rot und lila und richtig deformiert.«
»Halb so wild.«
»Kühlst du es auch? Arnika ist nicht schlecht. Die gibt es auch als Tinktur.«
»Mit dem brauchst du kein Mitleid zu haben«, sagte Keller. »Der hat sich seine Blessuren selbst zuzuschreiben.«
»Er war etwas eigenmächtig«, sprang Rena für ihn in die Bresche. »Aber der Fall Ölnhausen hat seit Samstag eine ganz neue Dimension gewonnen. Es gibt jetzt so etwas wie ein Motiv. Und die Mädchen hat er auch befreit.«
Keller schaute auf und musterte Fabian, als sei er ein ekliges Insekt, das man mit dem Fuß zertrat. Wahrscheinlich sah er entsprechend aus. »Du bist einfach nicht teamfähig.«
Fabian nickte ergeben.
»Vor einer Woche ist exakt das Gleiche passiert. Und was bedeutet das?«
Er zuckte die schmerzenden Schultern.
Keller machte eine effektvolle Pause. »Dass du nicht imstande bist, dich an Regeln zu halten.« Eine Standpauke. Fabian schaltete auf Durchzug, obwohl er tief im Innersten ahnte, dass Keller recht hatte.
»Ich hatte keine andere Wahl«, brachte er schließlich heraus.
»Ich würde dich ungern auf dem Tisch dieses Pathologen wiedersehen. Wie heißt er noch gleich?«
»Geertjens.«
»Jungs«, sagte Rena versöhnlich. »Wie wäre es, wenn ihr eure Zeit nicht mit Streitereien verschwenden würdet, sondern einfach die veränderten Fakten zusammentragt? Zum Beispiel auf diesem praktischen Flipchart.« Sie stand auf und hängte ein Blatt Papier an den dazugehörigen Ständer.
»Reine Zeitverschwendung«, grummelte Keller und raufte sich die Bürstenhaare über die in seinen Augen sinnlose Erfindung. Der Edding fuhr quietschend übers Papier, als sie die Worte »Fallen Angel« in die Mitte setzte und rundherum eine Reihe Striche malte. Den Namen Ölnhausen setzte sie an eines der freien Enden.
»Das ist doch so, oder Fabian? Er war einer der Auftraggeber, der dafür gesorgt hat, dass sich außer jungen Frauen auch Kinder prostituieren mussten?«
Er nickte zögernd. Zwei weitere freie Enden wurden mit den Namen der getöteten Russen und dem Wort »Menschenhandel« belegt. Schweigend erhob sich Fabian und ergänzte in Druckbuchstaben das Wort Mafia. An das letzte freie Ende
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