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Blutiger Sand

Blutiger Sand

Titel: Blutiger Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kneifl
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Hinterbein.
    Ihr Kläffen macht Orlando Angst.
    Ich werfe ein paar Steine nach den Kötern, ziele absichtlich daneben. Möchte sie nicht verletzen. Sie rennen sofort davon. Ihr Bellen wird schwächer und verklingt schließlich in einer Mulde, in die sie sich zurückziehen.
    Mich erinnert die ganze Misere tatsächlich an meine Verwandten in der Slowakei und in Ungarn. Die Roma leben dort in ähnlichen Verhältnissen wie die nordamerikanischen Ureinwohner hier. Nomadenschicksal? Von den jeweiligen Regierungen gezwungen, sesshaft zu werden, versuchen sie sich anzupassen, aber die andere Lebensart bleibt ihnen fremd.
    „Die Freiheit der Prärie gegen Hütten aus Lehm einzutauschen – was für ein schlechtes Geschäft“, sage ich.
    Ein Wagen der Tribal Police hält vor unserem Suzuki. Der indianische Police Officer fragt uns misstrauisch, was wir hier wollen.
    Ich deute auf meine Zigarette.
    Er ermahnt mich, sie ordentlich auszudämpfen, und lässt uns dann anstandslos weiterfahren. Kontrolliert nicht einmal unsere Papiere.
    Die Straße glänzt hellgrau, ja fast silbern im blendenden Sonnenlicht. Es herrscht kaum Verkehr. Kleine Vögel in den staubigen Sträuchern am Straßenrand schrecken auf und beginnen hysterisch zu zwitschern, sobald ich aufs Gaspedal steige. Der nördliche Horizont ist mit dunklen Wolken überzogen. Vor kurzem scheint es hier geregnet zu haben. Die Asphaltdecke dampft.
    Vereinzelt erheben sich mitten in der Wüste rote Felsen. Rote Erde, blutroter Sand.
    Ausgemergelte Pferde auf einer vertrockneten Weide. Trailer und Wigwams nicht weit voneinander entfernt. Ich habe gelesen, dass meistens drei Generationen in so einem Weiler, wie man das bei uns bezeichnen würde, leben.
    „Ich begreife nicht, warum alle Regierungen dieser Welt die Menschen zur Sesshaftigkeit zwingen wollen. Warum darf man nicht einfach durch die Gegend ziehen?“
    „Vielleicht weil man dann weniger kontrollierbar und berechenbar ist?“ Orlando sieht mich treuherzig an.
    „In Zeiten des Internets müsste es doch möglich sein, auch reisende Völker im Auge, oder besser gesagt, unter Kontrolle zu behalten.“
    Der langgezogene Knall eines Gewehrschusses rollt über die Ebene.
    Erschrocken blicke ich in die Richtung, aus welcher der Schuss gekommen ist. Etwa fünfzig Meter entfernt sehe ich einen Mann aufrecht auf der Ladefläche eines Pick-ups stehen, eine Hand auf dem Dach der Fahrerkabine, in der anderen eine Flinte mit dem Lauf auf uns gerichtet.
    „Hat er auf uns geschossen?“ Ich kann es nicht glauben. Sehe Orlando entsetzt an.
    „Lass uns machen, dass wir hier wegkommen. In diesem Land sind lauter Verrückte unterwegs“, sagt Orlando. „Ist dir aufgefallen, dass fast jeder eine Flinte hinten auf der Ablage seines Wagens liegen hat?“
    „Wir auch“, sage ich grinsend. Allerdings liegt meine Schrotflinte verborgen unter einer Decke auf dem Rücksitz.
    Endlich erreichen wir die nächste Siedlung. Die Trading Post befindet sich in einem Wohnwagen. Daneben ein Kiosk, an dem Lebensmittel verkauft werden.
    Kleine Hütten in der prallen Sonne. Kein Schatten spendender Baum weit und breit. Viele der Hütten stehen unmittelbar neben Strommasten, von denen die Indianer den Strom abzapfen.
    „Kannst du dir vorstellen, dass diese Straßen und Häuser hier oft überschwemmt werden?“
    „Du spinnst.“
    „Nein, ich habe das im Fernsehen gesehen. Obwohl Wüstengebiet, gibt es hier heftige Niederschläge. Die ganze Gegend verwandelt sich dann in ein einziges Schlammloch. Überschwemmungsgebiete mitten in der Wüste, das muss man sich erst einmal vorstellen!“
    Auf dem Weg zum Monument Valley kommen wir an einem Dorf vorbei, in dem alle Häuschen gleich aussehen. Die Regierung hat an diesem gottverlassenen Ort eine Art Reihenhaussiedlung für Indianer errichtet, mit billigstem Material natürlich. Die Häuser erinnern an Toilettenanlagen.
    „Im Burgenland hat man für mein Volk ähnliche Reihenhäuschen hingestellt. Und sie sind von meinen Leuten genauso wenig goutiert worden wie die hier von den Indianern. Schon nach wenigen Jahren waren sie völlig heruntergekommen. Wir brauchen kein niedliches, sauberes, kleines Zuhause, um uns wohlzufühlen. Wir bevorzugen die Natur, den Himmel und die freie Sicht. Streichholzschachtelhäuschen machen uns psychisch krank.“
    „Mich auch“, sagt Orlando. „Fahr schneller. Ich will hier weg.“
    Als endlich die gewaltigen Tafelberge des Monument Valley in Sicht kommen, frage ich ihn:

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